Buchtipp: Review von Fabio Andinas Davonkommen
Wie groß ist das Leben? Im Roman Davonkommen des schweizerischen Schriftstellers Fabio Andino geht es um den alltäglichen Überlebenskampf eines Mannes, der von seiner Frau verlassen wurde. Hier kommt meine Buchreview.
Es ist, als hätte ich dieses Buch einfach finden müssen. Es war früh morgens, ich wollte mir die Zeit vertreiben, bis die Cafés öffnen, und flanierte daher melancholisch gestimmt über die Rü. Zu diesem Zeitpunkt war mein Leben ein einziges Durcheinander. Dann bin ich in die Papeterie gegangen und habe einen echten Trostkauf gemacht.
Es war so schön, dass es fast schon wehtat – Notizbücher und Schreibkram nach Herzenslust kaufen, ohne aufs Geld zu achten. Egal, dass es ziemlich teuer wurde, denn im Vergleich zu allem anderen ist es doch so unwichtig, dieses Geld. Da lag das Buch also, Davonkommen von Fabio Andina, und ich nahm es mit.
Arbeitslos, tablettensüchtig und mit Hang zum Alkohol – das ist das unruhige Leben, das der Protagonist in Davonkommen führt. Denn, so sagt er dem Psychiater, er habe die Trennung seiner Frau nicht verkraftet. In einer Berghütte in der Schweiz muss der Vater versuchen, zwischen seinen Treffen mit dem Psychiater, der Anwältin und mit seinem Sohn wieder zurück ins Leben zu finden. Und ich folge seinen Gedanken lesend und beobachte, wie es ganz allmählich besser wird, dieses schwierige Dasein. Eine tröstliche Lektüre für Zeiten, in denen das Leben scheinbar nicht zu bändigen ist.
Im Klappentext wird Fabio Andinas Roman Davonkommen als „großes, konsequent durchkomponiertes Decrescendo“ beschrieben, und diese Formulierung trifft es für mich auf den Punkt. Am Anfang sind die Sätze lang und unruhig, die Gedanken des Ich-Erzählers scheinen in einem so tiefen, eigenen Strom zu laufen, dass ich kaum Zugang zu ihm und seiner Welt finde.
Doch dieses diffuse Gefühl, das die ersten Kapitel in mir auslösen, kenne ich von mir selbst: es sind Momente, in denen ich plötzlich realisiere, wie tief ich in Gedanken versunken bin. Genau so geht es mir beim Lesen, nur dass es sich hier nicht um meine eigenen Gedanken handelt, sondern um die eines anderen. Das Decrescendo ist wie ein Versprechen an den Leser und den Protagonisten, dass alles besser wird – denn das Leben hat etwas zu bieten. Und so lese ich weiter. Vielleicht gewöhne ich mich einfach nur an den Erzählstil, doch mir ist, als käme ich dem jungen Vater immer näher.
Davonkommen erzählt überwiegend von der Gegenwart, ohne allzu weit nach vorne oder hinten auszuholen. Die ehemaligen Probleme mit seiner Exfrau werden nur dann thematisiert, wenn es mal wieder „Scherereien“ (ein schönes Wort) gibt und er seinen Sohn nicht sehen kann. So erfahren wir zwar nie, was genau in der Vergangenheit passiert ist, jedoch spielt das auch keine Rolle. Seine Exfrau soll er ohnehin vergessen.
Wichtig sind die kleinen erfreulichen oder ärgerlichen Momente: Etwa, wenn der gestohlene Rhododendron im Garten der Hütte endlich gedeiht oder das Auto wieder muckt und in die Werkstatt muss. Auch die Zukunft scheint für den Vater nur ein sanfter Schimmer zu sein. Sie ist der Wunsch nach einem vernünftigen Job und das Zählen von Tagen, bis er den Sohn wiedersieht – sonst nichts.
Fabio Andina wollte mit seinem Roman eine Hymne auf den Überlebensinstinkt schreiben, und das ist ihm gelungen. Auch wenn der Vater schlecht schläft und sich nur schwer damit arrangieren kann, dass die Pillen im Medi-7 immer weniger werden und die Kommunikation mit seiner Exfrau scheitert, trägt ihn doch irgendetwas durch die Tage. Es sind keine großartigen Dinge, sondern vielmehr die subtilen Erfolge, die sogar ich als Leserin nicht immer erkennen kann.
Doch allmählich stabilisiert sich der Herzschlag. Und erst am Ende, im Rückblick auf den Roman, ergibt sich ein vollständiges Bild seines Lebens, und es fühlt sich etwa so an, wie wenn ich selbst an vergangene, schwere Zeiten denke und weiß, dass sie nun vorbei sind. So kommt der Roman dem, was wir Leben und Gegenwart nennen, unfassbar nahe. „Papa, wie groß ist das Leben?“, fragt der Sohn seinen Vater. Wenn du die Antwort darauf wissen willst, dann lies den Roman.
Vergessen Sie sie, das wird schwer, aber Sie müssen das für sich selbst und für Ihren Sohn tun, denn sonst springen Sie früher oder später hinunter und wir sind hier im fünften Stock … Ich atme tief durch und sehe am blauen Himmel den Glanz der Sonne, weit und ewig. Wer weiß, wie sie entstanden ist, es heißt, sie brennt seit Millionen von Jahren…
Buchtipp: Review von Fabio Andinas Davonkommen
Wie groß ist das Leben? Im Roman Davonkommen des schweizerischen Schriftstellers Fabio Andino geht es um den alltäglichen Überlebenskampf eines Mannes, der von seiner Frau verlassen wurde.
Es ist, als hätte ich dieses Buch einfach finden müssen. Es war früh morgens, ich wollte mir die Zeit vertreiben, bis die Cafés öffnen, und flanierte daher melancholisch gestimmt über die Rü. Zu diesem Zeitpunkt war mein Leben ein einziges Durcheinander. Dann bin ich in die Papeterie gegangen und habe einen echten Trostkauf gemacht.
Es war so schön, dass es fast schon wehtat – Notizbücher und Schreibkram nach Herzenslust kaufen, ohne aufs Geld zu achten. Egal, dass es ziemlich teuer wurde, denn im Vergleich zu allem anderen ist es doch so unwichtig, dieses Geld. Da lag das Buch also, Davonkommen von Fabio Andina, und ich nahm es mit.
Arbeitslos, tablettensüchtig und mit Hang zum Alkohol – das ist das unruhige Leben, das der Protagonist in Davonkommen führt. Denn, so sagt er dem Psychiater, er habe die Trennung seiner Frau nicht verkraftet. In einer Berghütte in der Schweiz muss der Vater versuchen, zwischen seinen Treffen mit dem Psychiater, der Anwältin und mit seinem Sohn wieder zurück ins Leben zu finden. Und ich folge seinen Gedanken lesend und beobachte, wie es ganz allmählich besser wird, dieses schwierige Dasein. Eine tröstliche Lektüre für Zeiten, in denen das Leben scheinbar nicht zu bändigen ist.
Fabio Andina: Lesen im Decrescendo
Im Klappentext wird Fabio Andinas Roman Davonkommen als „großes, konsequent durchkomponiertes Decrescendo“ beschrieben, und diese Formulierung trifft es für mich auf den Punkt. Am Anfang sind die Sätze lang und unruhig, die Gedanken des Ich-Erzählers scheinen in einem so tiefen, eigenen Strom zu laufen, dass ich kaum Zugang zu ihm und seiner Welt finde.
Doch dieses diffuse Gefühl, das die ersten Kapitel in mir auslösen, kenne ich von mir selbst: es sind Momente, in denen ich plötzlich realisiere, wie tief ich in Gedanken versunken bin. Genau so geht es mir beim Lesen, nur dass es sich hier nicht um meine eigenen Gedanken handelt, sondern um die eines anderen. Das Decrescendo ist wie ein Versprechen an den Leser und den Protagonisten, dass alles besser wird – denn das Leben hat etwas zu bieten. Und so lese ich weiter. Vielleicht gewöhne ich mich einfach nur an den Erzählstil, doch mir ist, als käme ich dem jungen Vater immer näher.
Ein Gegenwartsroman im wahrsten Sinne
Davonkommen erzählt überwiegend von der Gegenwart, ohne allzu weit nach vorne oder hinten auszuholen. Die ehemaligen Probleme mit seiner Exfrau werden nur dann thematisiert, wenn es mal wieder „Scherereien“ (ein schönes Wort) gibt und er seinen Sohn nicht sehen kann. So erfahren wir zwar nie, was genau in der Vergangenheit passiert ist, jedoch spielt das auch keine Rolle. Seine Exfrau soll er ohnehin vergessen.
Wichtig sind die kleinen erfreulichen oder ärgerlichen Momente: Etwa, wenn der gestohlene Rhododendron im Garten der Hütte endlich gedeiht oder das Auto wieder muckt und in die Werkstatt muss. Auch die Zukunft scheint für den Vater nur ein sanfter Schimmer zu sein. Sie ist der Wunsch nach einem vernünftigen Job und das Zählen von Tagen, bis er den Sohn wiedersieht – sonst nichts.
Davonkommen: Darüber, wie groß das Leben ist
Fabio Andina wollte mit seinem Roman eine Hymne auf den Überlebensinstinkt schreiben, und das ist ihm gelungen. Auch wenn der Vater schlecht schläft und sich nur schwer damit arrangieren kann, dass die Pillen im Medi-7 immer weniger werden und die Kommunikation mit seiner Exfrau scheitert, trägt ihn doch irgendetwas durch die Tage. Es sind keine großartigen Dinge, sondern vielmehr die subtilen Erfolge, die sogar ich als Leserin nicht immer erkennen kann.
Doch allmählich stabilisiert sich der Herzschlag. Und erst am Ende, im Rückblick auf den Roman, ergibt sich ein vollständiges Bild seines Lebens, und es fühlt sich etwa so an, wie wenn ich selbst an vergangene, schwere Zeiten denke und weiß, dass sie nun vorbei sind. So kommt der Roman dem, was wir Leben und Gegenwart nennen, unfassbar nahe. „Papa, wie groß ist das Leben?“, fragt der Sohn seinen Vater. Wenn du die Antwort darauf wissen willst, dann lies den Roman.
Vergessen Sie sie, das wird schwer, aber Sie müssen das für sich selbst und für Ihren Sohn tun, denn sonst springen Sie früher oder später hinunter und wir sind hier im fünften Stock … Ich atme tief durch und sehe am blauen Himmel den Glanz der Sonne, weit und ewig. Wer weiß, wie sie entstanden ist, es heißt, sie brennt seit Millionen von Jahren…