Review der deutschen Kultserie Tour de Ruhr aus den 80er Jahren
In der Serie Tour de Ruhr geht es unverfälscht und schroff zu. Denn nicht nur die Strecken der Fahrradtour haben jede Menge Schlaglöcher zu bieten, sondern auch die Dialoge der Figuren. Warum es sich auch heute noch lohnt, die Kultserie aus den 80ern anzuschauen, erzähle ich dir in dieser Review.
Während meiner Abenteuer im Ruhrgebiet bin ich auf ein altes Schätzchen gestoßen, das mich sofort gecatcht hat: die Miniserie Tour de Ruhr. In sechs Folgen à 45 Minuten zeigt die Serie fünf typische Ruhrpöttler bei Ihrer Fahrradreise durch die Heimat und gibt spannende Einblicke in das Ruhrgebiet der 1980er Jahre.
Auch die typische Sprache und Mentalität des Potts wird bestens eingefangen, sodass ich mich immer wieder an die klassischen Sprüche meiner eigenen Familie erinnert fühle. Obwohl ich 1980 noch lange nicht auf der Welt war und die Bilder der Tour doch etwas unscharf und flackernd daherkommen, habe ich es sehr genossen, die Serie zu schauen.
Die dreißigjährige Ines (Elfi Eschke) plant für ihren diesjährigen Urlaub eine Fahrradtour alleine durch das Ruhrgebiet. Kurz vor ihrer Reise lernt sie Harald (Eckhard Heise) kennen, der sich schnell in sie verliebt und ihre Pläne durchkreuzt: Er will sie bei ihrer Fahrradtour begleiten. Mit diesem Vorhaben prahlt er bei seinem Arbeitskollegen Karlheinz Stratmann, genannt Kalle (Henry van Lyck), sodass dieser sich zusammen mit seiner Frau Lisbeth (Marie-Luise Marjan) und der fünfzehnjährigen Tochter Martina (Klaudia Schunck) kurzerhand der Tour anschließt.
So beginnen sie zu fünft ihre Tour durch den Pott: Von Dortmund aus durch das nördliche Ruhrgebiet nach Duisburg. Inmitten von Zankereien, Heimlichkeiten, Liebkosungen und Reifenpannen entstehen lustige Dialoge, die so herzlich wie hart sein können. Und das in einer Region, die mitten im Strukturwandel steckt. Wie es wohl ist, eine solche Serie mehr als vierzig Jahre später anzusehen?
Wie oben bereits angedeutet, läuft der Urlaub bei den Stratmanns und dem Duo aus Ines und Harald nicht gerade harmonisch ab. Familie Stratmann zeichnet sich durch die streitlustige Dynamik zwischen der nachsichtigen Lisbeth und dem ruppigen Kalle aus, über die sich Martina stets beschwert. Die Tochter hingegen kommt bei jeder Gelegenheit mit einer frechen Antwort daher.
Wer die Serie schaut, darf sich nicht an den veralteten Rollenbildern stören: So hängt etwa der Mann im Unterhemd und mit Bierchen in der Hand auffe Couch, während die Frau im hübschen Kleidchen vorm Fernseher bügelt. Ich hatte jedoch den Eindruck, dass die Serie das mit einem gewissen Augenzwinkern nimmt und sich für die Frauen sogar stark macht.
Zwischen Harald und Ines läuft es auch nicht gerade toll: Während sich Harald an der Begleitung durch die Stratmanns stört und darauf aus ist, Ines ins Bett zu kriegen, freundet sich Ines allmählich mit der Familie an und weiß nicht recht, ob sie Harald überhaupt mag. Als Ausgleich für die unzähligen Raufereien und den aggressiven Tonfall gibt’s jedoch schöne Dialoge im Pott’schen Regiolekt zu hören, wenn Kalle zum „ollen Schlönz“ wird und ein genüssliches „Ah! Wat schön!“ aus tiefster Seele kommt, oder wenn Lisbeth ihre Tochter ermahnt: „Mach doch ‚ma die dösige Musick aus!“
Letztendlich sind die Charaktere erfrischend herzlich und sympathisch, und ich komme nicht daran vorbei, ein paar der Wortwechsel aus meiner eigenen Jugend wiederzuerkennen. „Sorg mal dafür, dass sich deine Tochter ordentlich benimmt!“ – „Ach, dann ist es plötzlich meine Tochter!“ Und am Ende zeigen selbst die schwierigen Männer ihre soften Seiten. Es wird deutlich, dass die Beziehung zwischen der Tochter und den Eltern im Grunde eine gute ist.
Bei all der unverfälschten Alltagskomik dürfen wir die Protagonisten außerdem durch das Ruhrgebiet der 80er Jahre begleiten und ganz nebenbei etwas über die Kulturgeschichte der Region lernen. Wie sah die Heimat vor 40 Jahren aus? Welche Auswirkungen hatten große Themen wie die Zechenschließungen? Und sind junge Leute damals wirklich überall mit Rollschuhen herumgefahren?
Auch der Soundtrack der Serie ist ikonisch. Im Grunde genommen beschränkt er sich auf die Titelmelodie von Tour de Ruhr: eine fröhliche Panflöten-Musik. Nachdem die Melodie zum ungefähr hundertsten Mal eingespielt wurde (nämlich immer dann, wenn man die Dortmunder auf dem Fahrrad durch die Landschaft sausen sieht), ist der Vibe dann richtig bei mir angekommen. Ein Ohrwurm ist jedenfalls garantiert.
Dass die Drehbuchautorin Elke Heidenreich das Ruhrgebiet liebt, ist selbsterklärend. So sagt Lisbeth nicht ohne Grund am Ende des Urlaubs: „Hach, ich find’s so schön, dass wir hier wohnen!“ Und genau das denke ich mir auch so oft, wenn ich mal wieder im Pott unterwegs bin. Nach der Serie habe ich natürlich Lust auf eine Fahrradtour bekommen…
A propos Fahrradtour: Besonders spannend finde ich, dass sich auf dem YouTube Kanal Reingetreten eine Gruppe von Freunden die Mühe gemacht hat, die Fahrradreise der fiktiven Gruppe zu rekonstruieren. Sogar den Einspieler der Serie haben sie auf ihre gegenwärtige Tour de Ruhr angepasst. Mit sorgfältiger Recherche und unzähligen Einblendungen aus der Serie können wir die Strecke im heutigen Ruhrgebiet nachfahren und dabei entdecken, wie viel sich verändert hat. Genauso ist auch vieles erhalten geblieben. Wie sehr die Serie im Ruhrgebiet einen Kultstatus erreicht hat, zeigt sich auch daran, dass es sogar eine kleine Fanseite gibt, auf der alle Infos und Neuigkeiten zur Tour de Ruhr zu finden sind.
Für alle, die ich irgendwie mit meiner Begeisterung anstecken konnte: Die Serie kann man kostenlos auf YouTube anschauen, als DVD in der Bibliothek ausleihen oder an verschiedenen Orten kaufen (z. B. im Ruhr Museum und im (Online-)Shop des Besucherzentrums im Landschaftspark).
Viel Spaß beim Schauen und Nachfahren!
Quelle: Die Bilder stammen aus der Serie ‚Tour de Ruhr‘, Produktion: WDR (1981), Regie: Reinhard Schwabenitzky, DVD Label: MORE / WDR.
Review der deutschen Kultserie Tour de Ruhr aus den 80er Jahren
In der Serie Tour de Ruhr geht es unverfälscht und schroff zu. Denn nicht nur die Strecken der Fahrradtour haben jede Menge Schlaglöcher zu bieten, sondern auch die Dialoge der Figuren. Warum es sich auch heute noch lohnt, die Kultserie aus den 80ern anzuschauen, erzähle ich dir in diesem Artikel.
Während meiner Abenteuer im Ruhrgebiet bin ich auf ein altes Schätzchen gestoßen, das mich sofort gecatcht hat: die Miniserie Tour de Ruhr. In sechs Folgen à 45 Minuten zeigt die Serie fünf typische Ruhrpöttler bei Ihrer Fahrradreise durch die Heimat und gibt spannende Einblicke in das Ruhrgebiet der 1980er Jahre.
Auch die typische Sprache und Mentalität des Potts wird bestens eingefangen, sodass ich mich immer wieder an die klassischen Sprüche meiner eigenen Familie erinnert fühle. Obwohl ich 1980 noch lange nicht auf der Welt war und die Bilder der Tour doch etwas unscharf und flackernd daherkommen, habe ich es sehr genossen, die Serie zu schauen.
Aber worum geht et sich bei der Tour de Ruhr?
Die dreißigjährige Ines plant für ihren diesjährigen Urlaub eine Fahrradtour alleine durch das Ruhrgebiet. Kurz vor ihrer Reise lernt sie Harald kennen, der sich schnell in sie verliebt und ihre Pläne durchkreuzt: Er will sie bei ihrer Fahrradtour begleiten. Mit diesem Vorhaben prahlt er bei seinem Arbeitskollegen Karlheinz Stratmann (genannt Kalle), sodass dieser sich zusammen mit seiner Frau Lisbeth und der fünfzehnjährigen Tochter Martina kurzerhand der Tour anschließt.
So beginnen sie zu fünft ihre Tour durch den Pott: Von Dortmund aus durch das nördliche Ruhrgebiet nach Duisburg. Inmitten von Zankereien, Heimlichkeiten, Liebkosungen und Reifenpannen entstehen lustige Dialoge, die so herzlich wie hart sein können. Und das in einer Region, die mitten im Strukturwandel steckt. Wie es wohl ist, eine solche Serie mehr als vierzig Jahre später anzusehen?
Authentisches Familiengezanke und Beziehungschaos
Wie oben bereits angedeutet, läuft der Urlaub bei den Stratmanns und dem Duo aus Ines und Harald nicht gerade harmonisch ab. Familie Stratmann zeichnet sich durch die streitlustige Dynamik zwischen der nachsichtigen Lisbeth und dem ruppigen Kalle aus, über die sich Martina stets beschwert. Die Tochter hingegen kommt bei jeder Gelegenheit mit einer frechen Antwort daher.
Wer die Serie schaut, darf sich nicht an den veralteten Rollenbildern stören: So hängt etwa der Mann im Unterhemd und mit Bierchen in der Hand auffe Couch, während die Frau im hübschen Kleidchen vorm Fernseher bügelt. Ich hatte jedoch den Eindruck, dass die Serie das mit einem gewissen Augenzwinkern nimmt und sich für die Frauen sogar stark macht.
Zwischen Harald und Ines läuft es auch nicht gerade toll: Während sich Harald an der Begleitung durch die Stratmanns stört und darauf aus ist, Ines ins Bett zu kriegen, freundet sich Ines allmählich mit der Familie an und weiß nicht recht, ob sie Harald überhaupt mag. Als Ausgleich für die unzähligen Raufereien und den aggressiven Tonfall gibt’s jedoch schöne Dialoge im Pott’schen Regiolekt zu hören, wenn Kalle zum „ollen Schlönz“ wird und ein genüssliches „Ah! Wat schön!“ aus tiefster Seele kommt, oder wenn Lisbeth ihre Tochter ermahnt: „Mach doch ‚ma die dösige Musick aus!“
Fahrradtour durchs Ruhrgebiet: Gute Laune trotz Raufereien
Letztendlich sind die Charaktere erfrischend herzlich und sympathisch, und ich komme nicht daran vorbei, ein paar der Wortwechsel aus meiner eigenen Jugend wiederzuerkennen. „Sorg mal dafür, dass sich deine Tochter ordentlich benimmt!“ – „Ach, dann ist es plötzlich meine Tochter!“ Und am Ende zeigen selbst die schwierigen Männer ihre soften Seiten. Es wird deutlich, dass die Beziehung zwischen der Tochter und den Eltern im Grunde eine gute ist.
Bei all der unverfälschten Alltagskomik dürfen wir die Protagonisten außerdem durch das Ruhrgebiet der 80er Jahre begleiten und ganz nebenbei etwas über die Kulturgeschichte der Region lernen. Wie sah die Heimat vor 40 Jahren aus? Welche Auswirkungen hatten große Themen wie die Zechenschließungen? Und sind junge Leute damals wirklich überall mit Rollschuhen herumgefahren?
Auch der Soundtrack der Serie ist ikonisch. Im Grunde genommen beschränkt er sich auf die Titelmelodie von Tour de Ruhr: eine fröhliche Panflöten-Musik. Nachdem die Melodie zum ungefähr hundertsten Mal eingespielt wurde (nämlich immer dann, wenn man die Dortmunder auf dem Fahrrad durch die Landschaft sausen sieht), ist der Vibe dann richtig bei mir angekommen. Ein Ohrwurm ist jedenfalls garantiert.
Eine Liebeserklärung an das Ruhrgebiet
Dass die Drehbuchautorin Elke Heidenreich das Ruhrgebiet liebt, ist selbsterklärend. So sagt Lisbeth nicht ohne Grund am Ende des Urlaubs: „Hach, ich find’s so schön, dass wir hier wohnen!“ Und genau das denke ich mir auch so oft, wenn ich mal wieder im Pott unterwegs bin. Nach der Serie habe ich natürlich Lust auf eine Fahrradtour bekommen…
A propos Fahrradtour: Besonders spannend finde ich, dass sich auf dem YouTube Kanal Reingetreten eine Gruppe von Freunden die Mühe gemacht hat, die Fahrradreise der fiktiven Gruppe zu rekonstruieren. Sogar den Einspieler der Serie haben sie auf ihre gegenwärtige Tour de Ruhr angepasst. Mit sorgfältiger Recherche und unzähligen Einblendungen aus der Serie können wir die Strecke im heutigen Ruhrgebiet nachfahren und dabei entdecken, wie viel sich verändert hat. Genauso ist auch vieles erhalten geblieben. Wie sehr die Serie im Ruhrgebiet einen Kultstatus erreicht hat, zeigt sich auch daran, dass es sogar eine kleine Fanseite gibt, auf der alle Infos und Neuigkeiten zur Tour de Ruhr zu finden sind.
Für alle, die ich irgendwie mit meiner Begeisterung anstecken konnte: Die Serie kann man kostenlos auf YouTube anschauen, als DVD in der Bibliothek ausleihen oder an verschiedenen Orten kaufen (z. B. im Ruhr Museum und im (Online-)Shop des Besucherzentrums im Landschaftspark).
Viel Spaß beim Schauen und Nachfahren!
Quelle: Die Bilder stammen aus der Serie ‚Tour de Ruhr‘, Produktion: WDR (1981), Regie: Reinhard Schwabenitzky, DVD Label: MORE / WDR.