Rezension zum Buch „Tauben. Ein Portrait von Karin Schneider“: Was Tauben mit Kumpeln gemeinsam haben
In ihrem Portrait über Tauben erzählt uns Karin Schneider nicht nur eine spannende Geschichte über die Herkunft der Tiere, sondern berichtet auch über ihr Zusammenleben mit dem Menschen. Was es mit der Taube und dem Ruhrgebiet auf sich hat, erfährst du in dieser Rezension.
Es ist ein Uhr nachts, ich stehe leicht angetrunken im Museumsshop des Ruhr Museums und halte ein Buch über Tauben in der Hand. Da stellen sich gleich mehrere Fragen: Wieso hat das Museum noch geöffnet? Warum bin ich angetrunken? Und zu guter Letzt: Weshalb steht ein Buch über Tauben eigentlich im Ruhr Museum?
Die ersten beiden Fragen lassen sich schnell beantworten: Die Szene spielte sich während der ExtraSchicht, der Nacht der Industriekultur ab, und nachdem ich einige Runden über das Gelände der Zeche Zollverein gedreht hatte, wollte ich bei Nacht nochmal die leuchtenden Rolltreppen des Ruhr Museums hochfahren und mich drinnen ein wenig aufwärmen. Dass ich kurz zuvor noch ein Bier getrunken hatte, kam dem Museumsshop zu Gute, denn so wurde das Tauben-Buch von Karin Schneider zum Spontankauf, der unbedingt mitmusste (so wie damals beim Trinkhallen-Buch).
Schon die Haptik überzeugte mich: In den hellblauen Hardcover-Einband ist eine hübsche, dunkelblaue Taube eingestanzt und die Innenseite des Deckels ist mit zartrosa Papier geschmückt. Beim schnellen Durchblättern schillern bunte Tauben-Bilder zwischen den Seiten. Und natürlich brauchte ich das Buch zu Recherchezwecken.
Auf der Rückfahrt von der ExtraSchicht fing ich direkt an, das Buch zu lesen. Schon nach dem ersten Kapitel, in dem die Autorin ins Thema einführt, war ich überzeugt. Der Schreibstil von Karin Schneider ist so lebhaft und sympathisch, dass ich sofort mehr über Tauben wissen möchte. Denn ihr Portrait der friedlichen Tiere ist kein rein wissenschaftlich-informierender Text, sondern eine bilderreiche Erzählung: Während die Autorin die Geschichte der Tauben beschreibt, nimmt sie mich mit auf eine Zeitreise in die entfernteste Vergangenheit, als die Wandertaube noch in riesigen Schwärmen über die Kontinente zog. Sie erzählt von der Bedrohung der Tauben durch Singvögel und Menschen, berichtet von den beeindruckenden Fähigkeiten der Tiere und führt mich schließlich zurück in die Gegenwart, in der die Stadttaube zum unerwünschten Störenfried geworden ist – wie die jüngsten Ereignisse in Limburg zeigen. Ich hätte nicht gedacht, dass Naturkunde – vor allem über Tauben – so spannend sein könnte.
Wieso hegen so viele Menschen Hass gegenüber jenen Tieren, die sie einst selbst gezüchtet und in die Stadt gebracht haben? Auch darüber spricht Karin Schneider ausführlich in ihrem Porträt. Über Brieftauben und Taubenrennen, über zerstörten Lebensraum und rücksichtsloses Jagen.
Womöglich sind uns die Tiere zu nah gekommen, und wir sehen in ihnen eine Bedrohung unseres eigenen Lebensraumes: der Stadt. Wir dichten ihnen den Dreck an, der eigentlich von uns selbst ausgeht, sehen sie als Müllfresser, Krankheitsverbreiter und Dreckmacher. Dabei ist all das längst wissenschaftlich widerlegt. Das eigentliche Problem ist und bleibt der Mensch.
Auf meiner Reise durch die 160 Seiten des hübschen Naturkunde-Bandes habe ich so viel über Tauben gelernt, dass ich die Tiere auf ganz neue Weise liebgewonnen habe. Ich hatte nie etwas gegen Tauben, doch habe ich sie meist für selbstverständlich genommen. Inzwischen halte ich sie für schützenswert und habe viel mehr Bewunderung für die schillernden Federkleider, den schrägen Blick und die wackelnden Köpfe. Und am liebsten würde ich mit all den Fakten um mich schmeißen, die mich das Buch gelehrt hat.
Aber was hat es nun mit der Taube und dem Ruhrgebiet auf sich? Wieso ist das Tauben-Buch ausgerechnet im Ruhr Museum zu finden? Die Antwort, die mir als erstes in den Sinn kommt, ist die hohe Dichte an Städten, die im Ruhrgebiet entsprechend viele Stadttauben zutage fördert. Denn die Taube ist im Ruhrgebiet ein fester Teil des Lebensraums.
Das Buch belehrt mich jedoch eines Besseren: Die Brieftaube gilt noch heute als das Wappentier der Bergleute, die sich mit den Tieren sehr verbunden fühlten. Die Zucht der Brieftauben bot Erholung und Entspannung nach anstrengenden Arbeitstagen:
Tauben, die über den Bergmannssiedlungen vor rauchenden Schloten kreisen, sind ein ikonisches Bild. Es heißt oft, dass die Kumpel Tauben hielten, weil sie nach der Dunkelheit im Schacht so gern in den blauen Himmel blickten.
– Tauben. Ein Portrait von Karin Schneider, S. 73
Und vielleicht sind es auch ihre Eigenschaften, die die Taube so stark mit den Menschen im Ruhrgebiet verbindet. Denn Tauben sind auch deshalb so intelligente Tiere, weil sie beharrlich sind und niemals aufgeben:
Mit unerschütterlicher Disziplin und Gründlichkeit setzen sie alles daran, ihnen gestellte Aufgaben zu einem erfolgreichen Ende zu bringen. Ihre Frustrationsresistenz sei so hoch, dass sie weder beleidigt sind noch aufgeben, wenn ihnen etwas über einen längeren Zeitraum nicht gelingt. [Der Bochumer Hirnforscher] Onur Güntürkün findet: ‚Tauben passen zum Ruhrgebiet; es sind ehrlich arbeitende Tiere.‘
– Tauben. Ein Portrait von Karin Schneider, S. 109
Rezension zum Buch „Tauben. Ein Portrait von Karin Schneider“: Was Tauben mit Kumpeln gemeinsam haben
In ihrem Portrait über Tauben erzählt uns Karin Schneider nicht nur eine spannende Geschichte über die Herkunft der Tauben, sondern berichtet auch über das Zusammenleben von Mensch und Tier. Was es mit der Taube und dem Ruhrgebiet auf sich hat, erfährst du in dieser Rezension.
Es ist ein Uhr nachts, ich stehe leicht angetrunken im Museumsshop des Ruhr Museums und halte ein Buch über Tauben in der Hand. Da stellen sich gleich mehrere Fragen: Wieso hat das Museum noch geöffnet? Warum bin ich angetrunken? Und zu guter Letzt: Weshalb steht ein Buch über Tauben eigentlich im Ruhr Museum?
Die ersten beiden Fragen lassen sich schnell beantworten: Die Szene spielte sich während der ExtraSchicht, der Nacht der Industriekultur ab, und nachdem ich einige Runden über das Gelände der Zeche Zollverein gedreht hatte, wollte ich bei Nacht nochmal die leuchtenden Rolltreppen des Ruhr Museums hochfahren und mich drinnen ein wenig aufwärmen. Dass ich kurz zuvor noch ein Bier getrunken hatte, kam dem Museumsshop zu Gute, denn so wurde das Tauben-Buch von Karin Schneider zum Spontankauf, der unbedingt mitmusste (so wie damals beim Trinkhallen-Buch).
Schon die Haptik überzeugte mich: In den hellblauen Hardcover-Einband ist eine hübsche, dunkelblaue Taube eingestanzt und die Innenseite des Deckels ist mit zartrosa Papier geschmückt. Beim schnellen Durchblättern schillern bunte Tauben-Bilder zwischen den Seiten. Und natürlich brauchte ich das Buch zu Recherchezwecken.
Die Geschichte der Tauben
Auf der Rückfahrt von der ExtraSchicht fing ich direkt an, das Buch zu lesen. Schon nach dem ersten Kapitel, in dem die Autorin ins Thema einführt, war ich überzeugt. Der Schreibstil von Karin Schneider ist so lebhaft und sympathisch, dass ich sofort mehr über Tauben wissen möchte. Denn ihr Portrait der friedlichen Tiere ist kein rein wissenschaftlich-informierender Text, sondern eine bilderreiche Erzählung: Während die Autorin die Geschichte der Tauben beschreibt, nimmt sie mich mit auf eine Zeitreise in die entfernteste Vergangenheit, als die Wandertaube noch in riesigen Schwärmen über die Kontinente zog. Sie erzählt von der Bedrohung der Tauben durch Singvögel und Menschen, berichtet von den beeindruckenden Fähigkeiten der Tiere und führt mich schließlich zurück in die Gegenwart, in der die Stadttaube zum unerwünschten Störenfried geworden ist – wie die jüngsten Ereignisse in Limburg zeigen. Ich hätte nicht gedacht, dass Naturkunde – vor allem über Tauben – so spannend sein könnte.
Über Menschen und Tauben
Wieso hegen so viele Menschen Hass gegenüber jenen Tieren, die sie einst selbst gezüchtet und in die Stadt gebracht haben? Auch darüber spricht Karin Schneider ausführlich in ihrem Porträt. Über Brieftauben und Taubenrennen, über zerstörten Lebensraum und rücksichtsloses Jagen.
Womöglich sind uns die Tiere zu nah gekommen, und wir sehen in ihnen eine Bedrohung unseres eigenen Lebensraumes: der Stadt. Wir dichten ihnen den Dreck an, der eigentlich von uns selbst ausgeht, sehen sie als Müllfresser, Krankheitsverbreiter und Dreckmacher. Dabei ist all das längst wissenschaftlich widerlegt. Das eigentliche Problem ist und bleibt der Mensch.
Auf meiner Reise durch die 160 Seiten des hübschen Naturkunde-Bandes habe ich so viel über Tauben gelernt, dass ich die Tiere auf ganz neue Weise liebgewonnen habe. Ich hatte nie etwas gegen Tauben, doch habe ich sie meist für selbstverständlich genommen. Inzwischen halte ich sie für schützenswert und habe viel mehr Bewunderung für die schillernden Federkleider, den schrägen Blick und die wackelnden Köpfe. Und am liebsten würde ich mit all den Fakten um mich schmeißen, die mich das Buch gelehrt hat.
Die Taube und das Ruhrgebiet
Aber was hat es nun mit der Taube und dem Ruhrgebiet auf sich? Wieso ist das Tauben-Buch ausgerechnet im Ruhr Museum zu finden? Die Antwort, die mir als erstes in den Sinn kommt, ist die hohe Dichte an Städten, die im Ruhrgebiet entsprechend viele Stadttauben zutage fördert. Denn die Taube ist im Ruhrgebiet ein fester Teil des Lebensraums.
Das Buch belehrt mich jedoch eines Besseren: Die Brieftaube gilt noch heute als das Wappentier der Bergleute, die sich mit den Tieren sehr verbunden fühlten. Die Zucht der Brieftauben bot Erholung und Entspannung nach anstrengenden Arbeitstagen:
Tauben, die über den Bergmannssiedlungen vor rauchenden Schloten kreisen, sind ein ikonisches Bild. Es heißt oft, dass die Kumpel Tauben hielten, weil sie nach der Dunkelheit im Schacht so gern in den blauen Himmel blickten.
– Tauben. Ein Portrait von Karin Schneider, S. 73
Und vielleicht sind es auch ihre Eigenschaften, die die Taube so stark mit den Menschen im Ruhrgebiet verbindet. Denn Tauben sind auch deshalb so intelligente Tiere, weil sie beharrlich sind und niemals aufgeben:
Mit unerschütterlicher Disziplin und Gründlichkeit setzen sie alles daran, ihnen gestellte Aufgaben zu einem erfolgreichen Ende zu bringen. Ihre Frustrationsresistenz sei so hoch, dass sie weder beleidigt sind noch aufgeben, wenn ihnen etwas über einen längeren Zeitraum nicht gelingt. [Der Bochumer Hirnforscher] Onur Güntürkün findet: ‚Tauben passen zum Ruhrgebiet; es sind ehrlich arbeitende Tiere.‘
– Tauben. Ein Portrait von Karin Schneider, S. 109