Ein Film mit Ikigai: Review zum Netflix-Film Call Me Chihiro (2023) von Rikiya Imaizumi.
Mit seiner Ruhe und seinen atmosphärischen Bildern hat mich der Film rund um Chihiro in den Bann gezogen. Lies hier die Review über einen Film voller Nächstenliebe, Bento-Boxen und Sprachmusik.
Der Film Call Me Chihiro (2023) erzählt von der ehemaligen Sexarbeiterin Chihiro (Kasumi Arimura), die in einem kleinen japanischen Küstenort Arbeit als Bento-Verkäuferin findet. Sie hat stets ein Leuchten in den Augen und ein Lächeln auf den Lippen, strahlt Zuversicht und Wärme aus. Doch ihre Vergangenheit spricht sich schnell im Ort herum und weckt nicht nur das Interesse von Männern: Auch ein junges Mädchen, Seo (Hana Toyoshima), ist fasziniert von Chihiro und beobachtet sie heimlich nach der Schule.
Nach und nach lernt Chihiro die Bewohner und Bewohnerinnen des Ortes kennen – vor allem jene, die sich einsam fühlen. Und jedem von ihnen bietet sie bedingungslos eine Bento-Box und eine Art vorübergehendes Zuhause an. Sie hat keinerlei Berührungsängste.
So wäscht sie liebevoll einen Obdachlosen, rangelt sich mit dem kleinen Sohn einer alleinerziehenden Mutter und entführt die Bentoshop-Besitzerin Tae (Jun Fubuki) aus dem Krankenhaus, kurz bevor sie entlassen wird. Sie bringt die Menschen zusammen, leistet ihnen Gesellschaft und bleibt dennoch allein. Ihr Künstlername lässt den Schutzwall bestehen bleiben.
Der Film ist atmosphärisch dicht und regt zum Nachdenken an. Was mich sofort hineingezogen hat, war die Zeit, die er sich beim Erzählen lässt. Es geht nicht darum, Spannung zu erzeugen, Handlungsstränge aneinanderzureihen oder zu einer Lösung zu kommen. Vielmehr geht es darum zu beobachten, wie Chihiro in den Bildern des Filmes diese warmen Gefühle erzeugt.
Ich sehe, wie sie zärtlich und selbstverloren eine Katze streichelt. Beobachte, wie sie durch die Straßen des Ortes wandert oder am Bento-Stand auf Gäste wartet. Wie sie sich genuss- und geräuschvoll jeden Bestandteil eines Bentos einverleibt und wie sich ihr Gesicht verzieht, als sie in die sauersalzige Umeboshi, die Salzpflaume beißt, und sie daraufhin lachen muss.
„Sie aß alles auf“, erzählt der Ehemann von Tae, der Chihiro beim Essen ihres ersten Bentos in ihrer neuen Arbeitsstelle beobachtete. „Sogar den Garnelenschwanz und die Haut der gegarten Makrele. Jemand, der eine Speise so sehr genießt, kann kein schlechter Mensch sein.“
Der Film nimmt sich die Zeit, mit Chihiro das Gesicht in die Sonne zu halten und einfach da zu sein. Er nimmt sich die Zeit, zusammen mit ihr dem gleichmäßigen Plätschern des Regens zu lauschen und den Duft der frisch geernteten Bambussprossen einzuatmen. So meint man fast, selbst dort zu sein und gemeinsam mit Tae die Kastanien zu schälen, eine harte Arbeit, an der sie dennoch Freude hat. Es steckt viel Ikigai in dem Film, Ikigai als „das, wofür es sich zu leben lohnt“, als japanische Lebensphilosophie. So führt Chihiro ihre Handlungen stets mit Hingabe und um ihrer selbst willen aus.
Gelegentlich kann man das Hier und Jetzt im Film besser genießen als die tatsächliche Gegenwart, gerade in einem solch stimmungsvollen, melancholischen Film wie Call me Chihiro. Die schönen, unmittelbaren Bilder und die dabei zu hörenden Geräusche stimulieren die Sinne und erinnern an Momente, die man selbst erlebt hat. Der Blick ist weniger von eigenen Gedanken vereinnahmt. Die Wahrnehmung fokussiert sich.
Gerade durch die starke Präsenz der Geräusche im Film fällt auf, dass er kaum Musik enthält. Auf diese Weise wird auch Stille hörbar, und die Gedanken der Protagonisten schweben im Raum. Der Fokus liegt auf den bewegten Bildern – so wie es in diesem Medium sein sollte.
Da ich den Film außerdem auf Japanisch (mit deutschen Untertiteln) geschaut habe, sind die Dialoge für mich noch mehr in den Hintergrund gerückt und ich konnte die Sprache als eine Art Musik wahrnehmen. Dabei war es faszinierend, der japanischen Sprachmelodie nachzuspüren, die ich bisher nicht kannte. Es wäre wohl einen Versuch wert, den Film ganz ohne Untertitel anzuschauen.
Insgesamt hatte der Film eine ruhige, meditative Wirkung auf mich, und seine Bilder und Protagonisten haben mich zum Nachdenken angeregt. So hallte die Filmerzählung auch am Ende lange in mir nach. Wer sich nach einem solch atmosphärischen Film sehnt, für den ist Call me Chihiro ganz sicher was.
Aus dem Japanischen übersetzt bedeutet Bento „Essen zum Mitnehmen“. Die Idee für die Bento-Box ist im 5. Jahrhundert in Japan entstanden, um Essen auf Reisen mitnehmen zu können. Eine Bento-Box ist in mehrere Fächer unterteilt, die ein vorbereitetes, appetitlich angerichtetes und gesundes Gericht enthalten. Sowohl die Box als auch das enthaltene Gericht werden gleichermaßen Bento genannt.
Ein Film mit Ikigai: Review zum Film Call Me Chihiro (2023) von Rikiya Imaizumi.
Mit seiner Ruhe und seinen atmosphärischen Bildern hat mich der Film rund um Chihiro in den Bann gezogen. Lies hier die Review über einen Film voller Nächstenliebe, Bento-Boxen und Sprachmusik.
Worum geht es in Call Me Chihiro?
Der Film Call Me Chihiro (2023) erzählt von der ehemaligen Sexarbeiterin Chihiro (Kasumi Arimura), die in einem kleinen japanischen Küstenort Arbeit als Bento-Verkäuferin findet. Sie hat stets ein Leuchten in den Augen und ein Lächeln auf den Lippen, strahlt Zuversicht und Wärme aus. Doch ihre Vergangenheit spricht sich schnell im Ort herum und weckt nicht nur das Interesse von Männern: Auch ein junges Mädchen, Seo (Hana Toyoshima), ist fasziniert von Chihiro und beobachtet sie heimlich nach der Schule.
Nach und nach lernt Chihiro die Bewohner und Bewohnerinnen des Ortes kennen – vor allem jene, die sich einsam fühlen. Und jedem von ihnen bietet sie bedingungslos eine Bento-Box und eine Art vorübergehendes Zuhause an. Sie hat keinerlei Berührungsängste. So wäscht sie liebevoll einen Obdachlosen, rangelt sich mit dem kleinen Sohn einer alleinerziehenden Mutter und entführt die Bentoshop-Besitzerin Tae (Jun Fubuki) aus dem Krankenhaus, kurz bevor sie entlassen wird. Sie bringt die Menschen zusammen, leistet ihnen Gesellschaft und bleibt dennoch allein. Ihr Künstlername lässt den Schutzwall bestehen bleiben.
Sauersalzige Umeboshi und warme Gefühle
Der Film ist atmosphärisch dicht und regt zum Nachdenken an. Was mich sofort hineingezogen hat, war die Zeit, die er sich beim Erzählen lässt. Es geht nicht darum, Spannung zu erzeugen, Handlungsstränge aneinanderzureihen oder zu einer Lösung zu kommen. Vielmehr geht es darum zu beobachten, wie Chihiro in den Bildern des Filmes diese warmen Gefühle erzeugt.
Ich sehe, wie sie zärtlich und selbstverloren eine Katze streichelt. Beobachte, wie sie durch die Straßen des Ortes wandert oder am Bento-Stand auf Gäste wartet. Wie sie sich genuss- und geräuschvoll jeden Bestandteil eines Bentos einverleibt und wie sich ihr Gesicht verzieht, als sie in die sauersalzige Umeboshi, die Salzpflaume beißt, und sie daraufhin lachen muss.
„Sie aß alles auf“, erzählt der Ehemann von Tae, der Chihiro beim Essen ihres ersten Bentos in ihrer neuen Arbeitsstelle beobachtete. „Sogar den Garnelenschwanz und die Haut der gegarten Makrele. Jemand, der eine Speise so sehr genießt, kann kein schlechter Mensch sein.“
Ein Film mit Ikigai
Der Film nimmt sich die Zeit, mit Chihiro das Gesicht in die Sonne zu halten und einfach da zu sein. Er nimmt sich die Zeit, zusammen mit ihr dem gleichmäßigen Plätschern des Regens zu lauschen und den Duft der frisch geernteten Bambussprossen einzuatmen. So meint man fast, selbst dort zu sein und gemeinsam mit Tae die Kastanien zu schälen, eine harte Arbeit, an der sie dennoch Freude hat. Es steckt viel Ikigai in dem Film, Ikigai als „das, wofür es sich zu leben lohnt“, als japanische Lebensphilosophie. So führt Chihiro ihre Handlungen stets mit Hingabe und um ihrer selbst willen aus.
Gelegentlich kann man das Hier und Jetzt im Film besser genießen als die tatsächliche Gegenwart, gerade in einem solch stimmungsvollen, melancholischen Film wie Call me Chihiro. Die schönen, unmittelbaren Bilder und die dabei zu hörenden Geräusche stimulieren die Sinne und erinnern an Momente, die man selbst erlebt hat. Der Blick ist weniger von eigenen Gedanken vereinnahmt. Die Wahrnehmung fokussiert sich.
Japanische Sprache wird zu Musik
Gerade durch die starke Präsenz der Geräusche im Film fällt auf, dass er kaum Musik enthält. Auf diese Weise wird auch Stille hörbar, und die Gedanken der Protagonisten schweben im Raum. Der Fokus liegt auf den bewegten Bildern – so wie es in diesem Medium sein sollte.
Da ich den Film außerdem auf Japanisch (mit deutschen Untertiteln) geschaut habe, sind die Dialoge für mich noch mehr in den Hintergrund gerückt und ich konnte die Sprache als eine Art Musik wahrnehmen. Dabei war es faszinierend, der japanischen Sprachmelodie nachzuspüren, die ich bisher nicht kannte. Es wäre wohl einen Versuch wert, den Film ganz ohne Untertitel anzuschauen.
Insgesamt hatte der Film eine ruhige, meditative Wirkung auf mich, und seine Bilder und Protagonisten haben mich zum Nachdenken angeregt. So hallte die Filmerzählung auch am Ende lange in mir nach. Wer sich nach einem solch atmosphärischen Film sehnt, für den ist Call me Chihiro ganz sicher was.
Was ist ein Bento?
Aus dem Japanischen übersetzt bedeutet Bento „Essen zum Mitnehmen“. Die Idee für die Bento-Box ist im 5. Jahrhundert in Japan entstanden, um Essen auf Reisen mitnehmen zu können. Eine Bento-Box ist in mehrere Fächer unterteilt, die ein vorbereitetes, appetitlich angerichtetes und gesundes Gericht enthalten. Sowohl die Box als auch das enthaltene Gericht werden gleichermaßen Bento genannt.