Blumiger Künstlertreff zur Halde Hoheward
Die Halde Hoheward beeindruckt mich nicht nur mit ihrem Himmelsobservatorium und der großen Sonnenuhr, sondern auch mit ihrem Meer aus blühenden Pflanzen und hohen Gräsern. Wahrscheinlich hatte ich etwas wie eine tiefgehende Naturerfahrung.
Endlich bin ich hierhergekommen, einfach so, spontan. Weil ich raus musste aus dem Chaos in meinem Kopf und hinein in die Welt. Auf dem Weg nach oben pochen meine Muskeln, weil ich mich für die Metalltreppen entschieden habe, die über zwei Aussichtsplattformen auf eine erste Etappe nach oben führen.
Von hier aus habe ich einen wunderschönen Ausblick auf die Zeche Ewald: Zwei Fördertürme, alte Backsteinfassaden und irgendwo dazwischen ein paar Büdchen, an denen sich die Leute Kaffee holen. Die Hundebesitzer und Fahrradfahrer, an denen ich eben noch vorbeigelaufen bin, sind jetzt winzig klein.
Schon hier überkommt mich eine tiefe Ruhe – dabei bin ich noch lange nicht auf der Halde angekommen. Mein Magen grummelt und ich packe meine Tüte vom Bäcker aus. Eigentlich esse ich nie belegte Brötchen, schon gar keine Frikadellenbrötchen, aber ich kann sagen, dass dieses knusprige Weizenbrötchen mit dem Krautsalat und der Bulette und dem grün gekringelten Salatblatt darauf wirklich das leckerste Frikadellenbrötchen ist, das ich jemals in meinem Leben gegessen habe. Knusprig-krümelig, herzhaft-weich und sauer-knackig. Die perfekte Stärkung für den Weg, den ich noch vor mir habe.
Ich sitze sehr lange dort oben, wo alles aus Metall ist. Die A2 rauscht rechts von mir wie das Triebwerk eines Flugzeugs. Rundum ist die Landschaft bebaut, aber von hier kann ich ja noch nicht alles sehen. Während ich genussvoll kaue, mache ich mir Sorgen, einen Sonnenbrand zu kriegen, denn trotz der Wolken ist es gleißend hell. Also laufe ich ein bisschen herum und suche den Schatten.
Nach meinem Snack winde ich mich die Treppen hinauf durch dichtes Pflanzengestrüpp, das einen verführerisch süßen Blütenduft ausströmt – originaler Frühsommerduft. Von allen Seiten erheben sich wilde Sträucher: Brennnesselstauden, Brombeer-Ranken, mächtiges Urwaldgewächs. Kurz darauf stehe ich schon auf der nächsten Etappe und kann am Horizont die beiden Halbkreise des Observatoriums sehen, während vor mir in den Gabionen-Zäunen die Eidechsen herumklettern, wendig und braun. Eidechsen habe ich zuletzt im Garten meiner Kindheit beobachtet, als sie mit irrem Tempo durch die Steine wetzten und ich versuchte, sie einzufangen. Es gelang mir nur ein- oder zweimal. Auch jetzt huschen die Eidechsen so schnell vorbei, dass ich sie kaum fangen könnte.
Stattdessen saust mir ein Marienkäfer ins Gesicht und verweilt eine Weile auf meinem Arm. Er öffnet die Flügel, lässt sich von der nächsten Böe tragen und wird so klein, bis ich ihn nicht mehr sehen kann. Hier oben fliegen mir dauernd Insekten ins Gesicht, aber seltsamerweise finde ich das schön – überall brummt und summt es, alles ist lebendig und real.
Ganz oben am Observatorium weht der Wind in Wellen durch die hohen Gräser, die sich widerstandsfähig aneinanderlegen. Ein Vogel stiebt in die Luft. Ich habe das Gefühl, dem Himmel hier viel näher zu sein, so als wölbte er sich schützend über die Halde und mich wie eine Kuppel. Die Wolken schweben mir in etlichen Konstellationen um den Kopf, und manchmal geben sie ein Stück der Sonne frei. Ich lasse meinen Blick über die urbane Landschaft gleiten und zähle in der Ferne mehr als sechs Fördergerüste.
Menschen sind hier kaum. Vielleicht ein paar Jogger, Fahrradfahrer und Hundebesitzer. Und selbst wenn – auf Hoheward kann man so viele Wege gehen, dass man kaum jemandem begegnet. Ich fühle mich angenehm allein.
Auf der Halde über das Leben nachdenken, das war der Plan. Aber das muss ich gar nicht. Denn hier oben entscheide ich mich dazu, einfach mal nicht über das Leben nachzudenken, sondern nur zu existieren, im Blütenrausch der Natur.
Ich wünschte, ich würde all die Namen der hier wachsenden Pflanzen kennen, damit ich sie für euch in Worte fassen kann. Es ist gar nicht so leicht, sie nur durch ihre Form zu beschreiben.
Rilke sagt, man solle schreiben, als wäre man der erste Mensch.
Was mir von heute bleibt: Ein Fünf-Cent-Stück, ein vorübergehender Sonnenbrand und ein Text.
Blumiger Künstlertreff zur Halde Hoheward
Die Halde Hoheward beeindruckt mich nicht nur mit ihrem Himmelsobservatorium und der großen Sonnenuhr, sondern auch mit ihrem Meer aus blühenden Pflanzen und hohen Gräsern. Wahrscheinlich hatte ich etwas wie eine tiefgehende Naturerfahrung.
Endlich bin ich hierhergekommen, einfach so, spontan. Weil ich raus musste aus dem Chaos in meinem Kopf und hinein in die Welt. Auf dem Weg nach oben pochen meine Muskeln, weil ich mich für die Metalltreppen entschieden habe, die über zwei Aussichtsplattformen auf eine erste Etappe nach oben führen. Von hier aus habe ich einen wunderschönen Ausblick auf die Zeche Ewald: Zwei Fördertürme, alte Backsteinfassaden und irgendwo dazwischen ein paar Büdchen, an denen sich die Leute Kaffee holen. Die Hundebesitzer und Fahrradfahrer, an denen ich eben noch vorbeigelaufen bin, sind jetzt winzig klein.
Schon hier überkommt mich eine tiefe Ruhe – dabei bin ich noch lange nicht auf der Halde angekommen. Mein Magen grummelt und ich packe meine Tüte vom Bäcker aus. Eigentlich esse ich nie belegte Brötchen, schon gar keine Frikadellenbrötchen, aber ich kann sagen, dass dieses knusprige Weizenbrötchen mit dem Krautsalat und der Bulette und dem grün gekringelten Salatblatt darauf wirklich das leckerste Frikadellenbrötchen ist, das ich jemals in meinem Leben gegessen habe. Knusprig-krümelig, herzhaft-weich und sauer-knackig. Die perfekte Stärkung für den Weg, den ich noch vor mir habe.
Ich sitze sehr lange dort oben, wo alles aus Metall ist. Die A2 rauscht rechts von mir wie das Triebwerk eines Flugzeugs. Rundum ist die Landschaft bebaut, aber von hier kann ich ja noch nicht alles sehen. Während ich genussvoll kaue, mache ich mir Sorgen, einen Sonnenbrand zu kriegen, denn trotz der Wolken ist es gleißend hell. Also laufe ich ein bisschen herum und suche den Schatten.
Nach meinem Snack winde ich mich die Treppen hinauf durch dichtes Pflanzengestrüpp, das einen verführerisch süßen Blütenduft ausströmt – originaler Frühsommerduft. Von allen Seiten erheben sich wilde Sträucher: Brennnesselstauden, Brombeer-Ranken, mächtiges Urwaldgewächs. Kurz darauf stehe ich schon auf der nächsten Etappe und kann am Horizont die beiden Halbkreise des Observatoriums sehen, während vor mir in den Gabionen-Zäunen die Eidechsen herumklettern, wendig und braun. Eidechsen habe ich zuletzt im Garten meiner Kindheit beobachtet, als sie mit irrem Tempo durch die Steine wetzten und ich versuchte, sie einzufangen. Es gelang mir nur ein- oder zweimal. Auch jetzt huschen die Eidechsen so schnell vorbei, dass ich sie kaum fangen könnte.
Stattdessen saust mir ein Marienkäfer ins Gesicht und verweilt eine Weile auf meinem Arm. Er öffnet die Flügel, lässt sich von der nächsten Böe tragen und wird so klein, bis ich ihn nicht mehr sehen kann. Hier oben fliegen mir dauernd Insekten ins Gesicht, aber seltsamerweise finde ich das schön – überall brummt und summt es, alles ist lebendig und real.
Ganz oben am Observatorium weht der Wind in Wellen durch die hohen Gräser, die sich widerstandsfähig aneinanderlegen. Ein Vogel stiebt in die Luft. Ich habe das Gefühl, dem Himmel hier viel näher zu sein, so als wölbte er sich schützend über die Halde und mich wie eine Kuppel. Die Wolken schweben mir in etlichen Konstellationen um den Kopf, und manchmal geben sie ein Stück der Sonne frei. Ich lasse meinen Blick über die urbane Landschaft gleiten und zähle in der Ferne mehr als sechs Fördergerüste.
Menschen sind hier kaum. Vielleicht ein paar Jogger, Fahrradfahrer und Hundebesitzer. Und selbst wenn – auf Hoheward kann man so viele Wege gehen, dass man kaum jemandem begegnet. Ich fühle mich angenehm allein.
Auf der Halde über das Leben nachdenken, das war der Plan. Aber das muss ich gar nicht. Denn hier oben entscheide ich mich dazu, einfach mal nicht über das Leben nachzudenken, sondern nur zu existieren, im Blütenrausch der Natur.
Ich wünschte, ich würde all die Namen der hier wachsenden Pflanzen kennen, damit ich sie für euch in Worte fassen kann. Es ist gar nicht so leicht, sie nur durch ihre Form zu beschreiben.
Rilke sagt, man solle schreiben, als wäre man der erste Mensch.
Was mir von heute bleibt: Ein Fünf-Cent-Stück, ein vorübergehender Sonnenbrand und ein Text.