Bei einem sonnigen Künstlertreff sitze ich auf einer Bank in Essen-Kettwig und lasse meinen Blick über die Fassaden der alten Fachwerkhäuser streifen. Mir wird klar, dass ich ganz schön viel über das Schreiben nachdenke – dabei will ich es doch einfach nur tun.
Ich habe Lust auf etwas Unkompliziertes, draußen in der Sonne. Es ist ja so: Immer dann, wenn das Wetter schlecht ist, fallen mir unglaublich viele tolle Orte und Veranstaltungen ein, die ich bei schönem Wetter besuchen könnte. Und wenn dann mal die Sonne scheint und mir gleich morgens von ihrer guten Laune erzählt, dann ist mein einziger Einfall: Ich könnte ja ins Museum gehen – ach nee, das Wetter ist schön. Nach ein bisschen Hin- und Her-Überlegen beschließe ich, nach Essen-Kettwig zu fahren und mir die Altstadt anzuschauen. Das ist nicht so weit weg, und alles was ich tun muss, ist ein bisschen herumzuspazieren.
Ich laufe vom Kettwiger Markt aus intuitiv durch die Stadt. Als ich ankomme, ist alles noch so belebt, dass ich gar nicht weiß, wohin mit mir. Ein DHL-Bote hält am Straßenrand, schlägt mit Wucht die Tür des Wagens zu. Kinder und Jugendliche sind auf dem Nachhauseweg von der Schule – im Bus habe ich einem Gespräch zwischen zwei jungen Mädchen gelauscht und mich an vergangene Zeiten zurückerinnert. Menschen laufen durch die Straßen und machen Besorgungen. Geschäftiges Treiben. Treibendes Geschäft.
Ich habe Glück und alle Läden sind offen. Zwar wird mein Stadtrundgang dadurch eher zu einem Papeterie-Gestöber, aber es macht mich glücklich und das ist ja die Hauptsache. In einer der Buchhandlungen kaufe ich mir ein Buch: Unberechenbar von Dana Spiotta. Ich weiß noch nicht, dass ich dieses Buch in den nächsten Tagen komplett aufsaugen werde, aber anscheinend habe ich es im Gefühl, denn normalerweise gebe ich nicht so viel Geld für ein Buch aus.
Der Akku meiner Kamera ist natürlich genau dann leer, als ich im allerschönsten Teil Kettwigs ankomme. Wieso bin ich hier noch nie gewesen? Erinnert an Langenberg, aber dann noch mit Wasser dabei. Hübsch.
Ich setze mich in eine kleine Nische direkt am Wasser, auf eine von zwei im Schatten liegenden Bänken. Auf dem Wasser klappert eine Ente mit dem Schnabel und fährt dabei schmatzend über die mit Algenblüte übersäte Wasserfläche. Direkt hinter ihr schwimmt ein Enterich. In meiner Ecke ist es ziemlich frisch, aber ich beginne, über das das Schreiben nachzudenken.
Dauernd denke ich darüber nach, was ich erreichen will, was andere in meinem Alter schon erreicht haben und wie gut und produktiv ich das alles können und schaffen will. Gleichzeitig verliere ich mich in Tagträumen über mein mögliches Leben als Schriftstellerin: Ich träume davon, den ganzen Tag zu schreiben und zu malen und mich auszuprobieren, in einem wunderschönen Atelier, das spielerisch von der Sonne beleuchtet wird, träume davon, mein Buch in den Händen zu halten und erste Erfolge zu feiern. Und bei all dem Nachdenken vergesse ich total das Erschaffen selbst, das Verweilen im Moment. In meinem Kopf sind so viele Worte, so viele Gedanken über die Zukunft und die Vergangenheit, dass die Gegenwart plötzlich nicht mehr zählt.
Wenn ich kreativ bin, ist das anders. Wenn ich etwas mit den Händen erschaffe, hört das Nachdenken auf und ich bin erfüllt von meiner kreativen Arbeit. Egal ob ich ein Makramee, ein Acrylbild oder eine Collage mache – ich bin nur noch fokussiert auf die Arbeitsschritte: Farben anmischen, Fäden zuschneiden, Länge errechnen, Raster erstellen, Ideen wachsen lassen, ohne darüber nachzudenken. Ich spüre die Struktur der Baumwollfäden und die Krümmung meines Körpers, wenn ich mich auf den Boden hocke und das Maßband zurechtlege. Ich rieche die Acrylfarbe und sehe wie sich die Grundfarben mit meinen Pinselbewegungen zu einem dunklen Braunton vermischen. Ich spüre die Eigensinnigkeit des Pinsels, wenn ich die Farbe auftrage. Irgendwie dringt diese haptische Welt viel stärker zu mir durch. Gleichzeitig erschaffe ich etwas, bei dem ich einen unmittelbaren Fortschritt erkennen und auf das ich stolz sein kann.
Das Schreiben als kreative Arbeit nimmt hier eine andere Position ein. Es hat wohl damit zu tun, dass ich beim Schreiben nachdenken muss, schon allein, weil es die Form von Sprache hat, so wie die meisten meiner Gedanken. Das Teufelchen hat hier mehr Macht über mich, weil es mir mit seinen bösartigen Aussagen mehr entgegensetzen kann. So richtig kreativ wird das Schreiben für mich erst, wenn ich nur noch Bilder und keine Worte mehr sehe. Wenn meine Vorstellungskraft so vibrierend und klar ist wie ein Film, wenn die Bilder direkt in meine Tasten wandern, ohne dass die sprachliche Form eine Rolle spielt. Nach dieser Art des Schreibens sehne ich mich, erlebe es jedoch in letzter Zeit nur selten.
Vielleicht liebe ich das Schreiben auch gerade deshalb: Weil es mir so viele Schwierigkeiten bereitet und mich immer wieder herausfordert.
Dabei habe ich aus ähnlichen Gründen mit dem Schreiben angefangen wie mit dem Malen und Basteln. Ursprünglich konnte ich durch das Schreiben die in mir aufwallenden Gefühle festhalten und beruhigen. Es war, als wanderten sie direkt von meinem Kopf auf das Papier: Wie ein Streifen mit bunten Aufklebern zog ich die Buchstaben von der Folie ab und klebte sie in mein Notizbuch. So war mein Kopf von ihnen befreit. Außerdem nutzte ich das Schreiben, um in kleine Augenblicke tiefer hineinzuspüren und sie wertzuschätzen. Wenn mir etwas Wunderbares oder Interessantes oder Eigenartiges begegnet ist, hielt ich es in meinem kleinen Notizbuch fest.
Schreiben über das Schreiben – das wollte ich mir eigentlich abgewöhnen. Das hat so was von selbstsüchtigem, gescheitertem Künstler, der nicht über sich selbst und seine Leiden hinwegkommt. Anstatt diese Energie für das tatsächliche Schreiben von Geschichten, Artikeln und Romanen zu verwenden, wird sie ins Rumheulen gesteckt. „Ach, jammer, jammer. Das Schreiben und ich haben ja so eine komplizierte Beziehung miteinander.“ Statt über meine Gedanken nachzudenken, will ich einfach machen. Einfach loslegen und dann spüren, wie es still wird und sich die Gedanken nur noch um meine kreativen Aufgaben drehen. Deswegen werde ich jetzt Mitglied im MacherClub.
Ich kehre meinem schattigen Plätzchen den Rücken und wende mich wieder der Sonne zu.
In ihrer aktuellen Blogparade sammelt Anna Koschinski verschiedene Blogartikel zum Thema Schreiben über das Schreiben. Dabei musste ich sofort an meinen Spaziergang in Essen-Kettwig zurückdenken und freue mich, als Teil der Blogparade meine Gedanken zum Schreiben und Kreativsein zu teilen.
Bei einem sonnigen Künstlertreff sitze ich auf einer Bank in Essen-Kettwig und lasse meinen Blick über die Fassaden der alten Fachwerkhäuser streifen. Mir wird klar, dass ich ganz schön viel über das Schreiben nachdenke – dabei will ich es doch einfach nur tun.
Ich habe Lust auf etwas Unkompliziertes, draußen in der Sonne. Es ist ja so: Immer dann, wenn das Wetter schlecht ist, fallen mir unglaublich viele tolle Orte und Veranstaltungen ein, die ich bei schönem Wetter besuchen könnte. Und wenn dann mal die Sonne scheint und mir gleich morgens von ihrer guten Laune erzählt, dann ist mein einziger Einfall: Ich könnte ja ins Museum gehen – ach nee, das Wetter ist schön. Nach ein bisschen Hin- und Her-Überlegen beschließe ich, nach Essen-Kettwig zu fahren und mir die Altstadt anzuschauen. Das ist nicht so weit weg, und alles was ich tun muss, ist ein bisschen herumzuspazieren.
Ich laufe vom Kettwiger Markt aus intuitiv durch die Stadt. Als ich ankomme, ist alles noch so belebt, dass ich gar nicht weiß, wohin mit mir. Ein DHL-Bote hält am Straßenrand, schlägt mit Wucht die Tür des Wagens zu. Kinder und Jugendliche sind auf dem Nachhauseweg von der Schule – im Bus habe ich einem Gespräch zwischen zwei jungen Mädchen gelauscht und mich an vergangene Zeiten zurückerinnert. Menschen laufen durch die Straßen und machen Besorgungen. Geschäftiges Treiben. Treibendes Geschäft.
Ich habe Glück und alle Läden sind offen. Zwar wird mein Stadtrundgang dadurch eher zu einem Papeterie-Gestöber, aber es macht mich glücklich und das ist ja die Hauptsache. In einer der Buchhandlungen kaufe ich mir ein Buch: Unberechenbar von Dana Spiotta. Ich weiß noch nicht, dass ich dieses Buch in den nächsten Tagen komplett aufsaugen werde, aber anscheinend habe ich es im Gefühl, denn normalerweise gebe ich nicht so viel Geld für ein Buch aus.
Der Akku meiner Kamera ist natürlich genau dann leer, als ich im allerschönsten Teil Kettwigs ankomme. Wieso bin ich hier noch nie gewesen? Erinnert an Langenberg, aber dann noch mit Wasser dabei. Hübsch.
Ich setze mich in eine kleine Nische direkt am Wasser, auf eine von zwei im Schatten liegenden Bänken. Auf dem Wasser klappert eine Ente mit dem Schnabel und fährt dabei schmatzend über die mit Algenblüte übersäte Wasserfläche. Direkt hinter ihr schwimmt ein Enterich. In meiner Ecke ist es ziemlich frisch, aber ich beginne, über das Schreiben nachzudenken.
Dauernd denke ich darüber nach, was ich erreichen will, was andere in meinem Alter schon erreicht haben und wie gut und produktiv ich das alles können und schaffen will. Gleichzeitig verliere ich mich in Tagträumen über mein mögliches Leben als Schriftstellerin: Ich träume davon, den ganzen Tag zu schreiben und zu malen und mich auszuprobieren, in einem wunderschönen Atelier, das spielerisch von der Sonne beleuchtet wird, träume davon, mein Buch in den Händen zu halten und erste Erfolge zu feiern. Und bei all dem Nachdenken vergesse ich total das Erschaffen selbst, das Verweilen im Moment. In meinem Kopf sind so viele Worte, so viele Gedanken über die Zukunft und die Vergangenheit, dass die Gegenwart plötzlich nicht mehr zählt.
Wenn ich kreativ bin, ist das anders. Wenn ich etwas mit den Händen erschaffe, hört das Nachdenken auf und ich bin erfüllt von meiner kreativen Arbeit. Egal ob ich ein Makramee, ein Acrylbild oder eine Collage mache – ich bin nur noch fokussiert auf die Arbeitsschritte: Farben anmischen, Fäden zuschneiden, Länge errechnen, Raster erstellen, Ideen wachsen lassen, ohne darüber nachzudenken. Ich spüre die Struktur der Baumwollfäden und die Krümmung meines Körpers, wenn ich mich auf den Boden hocke und das Maßband zurechtlege. Ich rieche die Acrylfarbe und sehe wie sich die Grundfarben mit meinen Pinselbewegungen zu einem dunklen Braunton vermischen. Ich spüre die Eigensinnigkeit des Pinsels, wenn ich die Farbe auftrage. Irgendwie dringt diese haptische Welt viel stärker zu mir durch. Gleichzeitig erschaffe ich etwas, bei dem ich einen unmittelbaren Fortschritt erkennen und auf das ich stolz sein kann.
Das Schreiben als kreative Arbeit nimmt hier eine andere Position ein. Es hat wohl damit zu tun, dass ich beim Schreiben nachdenken muss, schon allein, weil es die Form von Sprache hat, so wie die meisten meiner Gedanken. Das Teufelchen hat hier mehr Macht über mich, weil es mir mit seinen bösartigen Aussagen mehr entgegensetzen kann. So richtig kreativ wird das Schreiben für mich erst, wenn ich nur noch Bilder und keine Worte mehr sehe. Wenn meine Vorstellungskraft so vibrierend und klar ist wie ein Film, wenn die Bilder direkt in meine Tasten wandern, ohne dass die sprachliche Form eine Rolle spielt. Nach dieser Art des Schreibens sehne ich mich, erlebe es jedoch in letzter Zeit nur selten.
Vielleicht liebe ich das Schreiben auch gerade deshalb: Weil es mir so viele Schwierigkeiten bereitet und mich immer wieder herausfordert.
Dabei habe ich aus ähnlichen Gründen mit dem Schreiben angefangen wie mit dem Malen und Basteln. Ursprünglich konnte ich durch das Schreiben die in mir aufwallenden Gefühle festhalten und beruhigen. Es war, als wanderten sie direkt von meinem Kopf auf das Papier: Wie ein Streifen mit bunten Aufklebern zog ich die Buchstaben von der Folie ab und klebte sie in mein Notizbuch. So war mein Kopf von ihnen befreit. Außerdem nutzte ich das Schreiben, um in kleine Augenblicke tiefer hineinzuspüren und sie wertzuschätzen. Wenn mir etwas Wunderbares oder Interessantes oder Eigenartiges begegnet ist, hielt ich es in meinem kleinen Notizbuch fest.
Schreiben über das Schreiben – das wollte ich mir eigentlich abgewöhnen. Das hat so was von selbstsüchtigem, gescheitertem Künstler, der nicht über sich selbst und seine Leiden hinwegkommt. Anstatt diese Energie für das tatsächliche Schreiben von Geschichten, Artikeln und Romanen zu verwenden, wird sie ins Rumheulen gesteckt. „Ach, jammer, jammer. Das Schreiben und ich haben ja so eine komplizierte Beziehung miteinander.“ Statt über meine Gedanken nachzudenken, will ich einfach machen. Einfach loslegen und dann spüren, wie es still wird und sich die Gedanken nur noch um meine kreativen Aufgaben drehen. Deswegen werde ich jetzt Mitglied im MacherClub.
Ich kehre meinem schattigen Plätzchen den Rücken und wende mich wieder der Sonne zu.
In ihrer aktuellen Blogparade sammelt Anna Koschinski verschiedene Blogartikel zum Thema Schreiben über das Schreiben. Dabei musste ich sofort an meinen Spaziergang in Essen-Kettwig zurückdenken und freue mich, als Teil der Blogparade meine Gedanken zum Schreiben und Kreativsein zu teilen.