Gefrorene Matschpfützen: Ein Künstlertreff zur Halde Haniel

  • 2 Min. Lesezeit
  • 8. Februar 2023
  • Sonja

Erst war ich irgendwo im Nirgendwo, verschollen. Die Busfahrt war sehr schön. Den ganzen Tag über liegt die Februarsonne auf meiner Haut und ist so viel kräftiger, als ich dachte. Ich bin durch viel dunkelbraunen Matsch gegangen und immer weiter den Hügel hinauf.  Mehr als einmal habe ich mich auf eine der Matschpfützen gestellt und die Eisschicht zum Krachen gebracht. Knarcks, knarcks, knarcks. Ein Muster aus glatten Streifen bildete sich unter meinen Füßen. Irgendwie fühlte ich mich destruktiv, aber zugleich war es so befriedigend – in etwa, wie in frischen Schnee zu treten: Man hinterlässt eine Spur, die die Perfektion zerstört, aber das Knarzen der aneinandergedrückten Schneeflocken und das Gefühl, der erste Mensch auf diesem Fleck zu sein, ist einfach zu verlockend. Und so etwas Unerreichbarem wie Perfektion möchte ich ja ohnehin nicht mehr hinterherjagen.

Die Menschen, mit denen ich gleichzeitig hier hochgewandert bin, werden zu Wegbegleitern, zu Vertrauten: Ein Mann, der ebenfalls einen Fotoapparat dabeihat, und mir immer ein Stück voraus ist. Zwei junge Frauen mit drei Hunden, zwei Pudel, ein Mischling, manchmal überhole ich sie, aber dann wieder sind sie es, die an mir vorbeiziehen.

Als ich vor einer Matschpfütze ein Foto machen will, begrüßen mich die Hunde. Am liebsten hätte ich sie geknuddelt und gekrault und mich mit ihnen so richtig im Matsch gesuhlt. Krachend und platschend, eisig kalt und erdig warm. Ich stelle mir das unfassbar befreiend vor. Und irgendwie habe ich mir ja schon länger mal eine Matschhose gewünscht. Einfach mal wieder so völlig unverfälscht dem eigenen Dasein nachhängen, wie zuletzt im Kindergarten. Dann gibt es in meinem Kopf keinen Dreck, keine Flecken, kein „du darfst nicht“, kein „dafür bist du zu erwachsen“. Nur mich und die Erde unter mir, aus der ich alles machen kann.

Dabei fühle ich mich doch schon jetzt so befreit. Vorgestern war ich noch ein grüner Glibberschleim und heute sitze ich ganz oben auf der Halde vor einem gelben Holzpfahl, einem Kunstobjekt. Gelb war als Kind meine Lieblingsfarbe und ich konnte mich nie ganz davon lösen. Strahlendes Gelb, wie die Sonne. Ich habe mich zwar noch nicht richtig geformt, denn ich habe noch keine Füße. Aber das Universum hat mich mit einer großen Hand aufgehoben und hier auf den Berg gesetzt.

Wer ist noch hier? Ein Mann mit Geländemotorrad und seinem Hund; er überquert die gesamte Halde so spielend leicht, lenkt das Fahrzeug durch eine Wasserpfütze, fährt den schmalen Fußweg am Hügel hinab, so elegant und spielerisch. Es wirkt, als würde das Universum ihn mit den Fingerspitzen von oben über die Halde führen und der Mann ist einfach da und genießt den Ausblick. Mit dem Boden und der Welt verbunden.

Allmählich kriege ich ein Gefühl für meine Freiheit und sie wirkt nun weniger bedrohlich. Ich kriege ein Gefühl dafür, dass auch ich im Boden verankert bin. Ein Gefühl von Grenzenlosigkeit. Zeit spielt keine Rolle mehr.

Jemand pustet für mich meine Seifenblasen. Ich lausche Gesprächen über das Leben. Später läuft die Seife aus. Ich habe keine Angst mehr.

Gefrorene Matschpfützen: Die Halde Haniel

Erst war ich irgendwo im Nirgendwo, verschollen. Die Busfahrt war sehr schön. Den ganzen Tag über liegt die Februarsonne auf meiner Haut und ist so viel kräftiger, als ich dachte. Ich bin durch viel dunkelbraunen Matsch gegangen und immer weiter den Hügel hinauf.  Mehr als einmal habe ich mich auf eine der Matschpfützen gestellt und die Eisschicht zum Krachen gebracht. Knarcks, knarcks, knarcks. Ein Muster aus glatten Streifen bildete sich unter meinen Füßen. Irgendwie fühlte ich mich destruktiv, aber zugleich war es so befriedigend – in etwa, wie in frischen Schnee zu treten: Man hinterlässt eine Spur, die die Perfektion zerstört, aber das Knarzen der aneinandergedrückten Schneeflocken und das Gefühl, der erste Mensch auf diesem Fleck zu sein, ist einfach zu verlockend. Und so etwas Unerreichbarem wie Perfektion möchte ich ja ohnehin nicht mehr hinterherjagen.

Die Menschen, mit denen ich gleichzeitig hier hochgewandert bin, werden zu Wegbegleitern, zu Vertrauten: Ein Mann, der ebenfalls einen Fotoapparat dabeihat, und mir immer ein Stück voraus ist. Zwei junge Frauen mit drei Hunden, zwei Pudel, ein Mischling, manchmal überhole ich sie, aber dann wieder sind sie es, die an mir vorbeiziehen.

Als ich vor einer Matschpfütze ein Foto machen will, begrüßen mich die Hunde. Am liebsten hätte ich sie geknuddelt und gekrault und mich mit ihnen so richtig im Matsch gesuhlt. Krachend und platschend, eisig kalt und erdig warm. Ich stelle mir das unfassbar befreiend vor. Und irgendwie habe ich mir ja schon länger mal eine Matschhose gewünscht. Einfach mal wieder so völlig unverfälscht dem eigenen Dasein nachhängen, wie zuletzt im Kindergarten. Dann gibt es in meinem Kopf keinen Dreck, keine Flecken, kein „du darfst nicht“, kein „dafür bist du zu erwachsen“. Nur mich und die Erde unter mir, aus der ich alles machen kann.

Dabei fühle ich mich doch schon jetzt so befreit. Vorgestern war ich noch ein grüner Glibberschleim und heute sitze ich ganz oben auf der Halde vor einem gelben Holzpfahl, einem Kunstobjekt. Gelb war als Kind meine Lieblingsfarbe und ich konnte mich nie ganz davon lösen. Strahlendes Gelb, wie die Sonne. Ich habe mich zwar noch nicht richtig geformt, denn ich habe noch keine Füße. Aber das Universum hat mich mit einer großen Hand aufgehoben und hier auf den Berg gesetzt.

Wer ist noch hier? Ein Mann mit Geländemotorrad und seinem Hund; er überquert die gesamte Halde so spielend leicht, lenkt das Fahrzeug durch eine Wasserpfütze, fährt den schmalen Fußweg am Hügel hinab, so elegant und spielerisch. Es wirkt, als würde das Universum ihn mit den Fingerspitzen von oben über die Halde führen und der Mann ist einfach da und genießt den Ausblick. Mit dem Boden und der Welt verbunden.

Allmählich kriege ich ein Gefühl für meine Freiheit und sie wirkt nun weniger bedrohlich. Ich kriege ein Gefühl dafür, dass auch ich im Boden verankert bin. Ein Gefühl von Grenzenlosigkeit. Zeit spielt keine Rolle mehr.

Jemand pustet für mich meine Seifenblasen. Ich lausche Gesprächen über das Leben. Später läuft die Seife aus. Ich habe keine Angst mehr.