Momentaufnahmen in Düsseldorf: Über Little Tokio zum Kö-Bogen II

Ein Künstlertreff durch die Großstadt
  • 4 Min. Lesezeit
  • 22. Mai 2025
  • Sonja

Inspiration tanken bei einem Spaziergang durch Düsseldorf

Mein Künstlertreff in Düsseldorf führt mich über Little Tokio bis hin zum Kö-Bogen II durch die Großstadt. Was sind meine Eindrücke? Und wie beschreibt man eigentlich Architektur?

Auf einem kirmes-artigen Gelände vor dem Düsseldorfer Schauspielhaus proben zwei Schauspieler ein dramatisches Liebesspiel. Sie stehen auf dem Dach des tunnel of love, eines rosafarbenen Containers mit zwei herzförmigen Eingängen. Gerade bin ich vom Düsseldorfer Hauptbahnhof aus über die Immermannstraße in Richtung Kö-Bogen II gelaufen. Jetzt sitze ich auf einem Stein gegenüber der strahlend weißen Fassade des D’Haus.

Das heutige Wetter zeigt Düsseldorf von seiner besten Seite. Es gibt endlos viel zu sehen; unzählige Verlockungen warten in den Restaurants und Geschäften auf mich, doch das Einzige, was ich mir gönne, ist ein Mochi mit Yuzu-Creme-Füllung, den ich mir auf der Immermannstraße, oder besser gesagt in Little Tokio kaufe. Es ist der Ort, an dem die japanische Gemeinschaft Düsseldorfs beheimatet ist. Dicht aneinandergereiht und mit Bannern voller japanischer Schriftzeichen geschmückt, bieten Restaurants und Imbisse hier Ramen, Gyoza und andere Leckereien an.

Zu schade, dass ich bei meinen letzten Düsseldorf-Besuchen immer genau den falschen Weg in Richtung Carlsplatz eingeschlagen habe und geradewegs an Little Tokio vorbeigelaufen bin. Dabei eignet sich diese Ecke bestens für einen Künstlertreff – mit nur wenigen Schritten tauche ich in eine kleine Welt voller geheimnisvoller Ladenlokale ein. Ein bisschen fühle ich mich hier fremd – aber auf eine gute Art. Ich flaniere auf beiden Seiten der Straße hin und her, stöbere in einem japanischen Buchladen, wo ich die fremden Schriftzeichen bewundere, und lasse mich von hübschen Porzellanschälchen und katzenförmigen Stäbchenablagen in die Geschäfte locken.

„Ich lieb dich, Helena!“, ruft der Schauspieler laut von der Bühne herunter, während ich in meinem Notizbuch über Little Tokio schreibe. „Ich liiieeeb dich!“

Helena sitzt auf einem gigantischen Schwan aus Plastik, dessen Hals von einer roten Geschenkschleife geschmückt wird. Später laufen die Protagonisten umeinander her, kebbeln sich auf dem tunnel of love, sind verzweifelt. Man kann die Kunst nur lieben.

Ich denke, dass man sich als Schauspieler auf der Bühne oft verausgaben muss. Das kann bestimmt sehr befreiend sein, kostet aber auch viel Kraft.

Der Wind weht mir kräftig durchs Haar, es ist das perfekte Frühlingswetter. Mein Notizbuch fliegt fast weg, aber in der gleißenden Sonne ist das eine willkommene Abwechslung.

Die Stadt kommt mir gigantisch vor.

Alles am Kö-Bogen II gefällt mir. Der Gustaf-Gründgens-Platz hat so eine wunderschöne Weite, die den Himmel mindestens genauso groß wirken lässt wie die Stadt selbst. Überall hebt sich das Grün gegen das Blau, überall rahmen lineare und gewellte Formen die Umgebung ein, und dann spürt man plötzlich die Schönheit der Moderne, die klaren Formen im Vergleich zum Stuck des Alten. Obwohl die Altstädte wohl trotzdem niemals ihren Reiz verlieren.

So gefällt mir in Düsseldorf – ähnlich wie in Lille – gerade die gelungene Symbiose aus Tradition und Moderne. Ich gehe noch ein bisschen weiter durch die Stadt und lasse alles auf mich wirken. Eigentlich wollte ich noch zu den Gehry-Bauten, aber daraus wird heute nichts mehr.

Ist aber auch nicht schlimm, denn auf meinen Wegen kreuz und quer durch Düsseldorf gibt es genug coole Architektur zu sehen.

Seit einiger Zeit schaue ich den YouTube-Kanal von Abby Geigerman, einer jungen Autorin, die in sympathischen Vlogs von ihren Schreibprozessen und neusten Projekten erzählt. Teil ihrer Schreibroutine sind dabei immer wieder auch kleine Spaziergänge durch San Francisco, wo sie in gemütlichen Cafés ihre Writing Sprints einlegt.

In einem ihrer letzten Videos stapft Abby einen ziemlich steilen Berg hinunter und erzählt dabei: „The architecture in this city is just so rich, it’s very inspiring. I wish sometimes, you know, if I were a trust fund kid – I don’t know if you ever play this game with yourself, but like, if you didn’t really have to make money at all, what would you do? Sometimes I’m like ‚Wow, it would be kind of fun to get an architecture’s degree‘ – just to have the vocabulary to describe all the fun buildings I wanna describe.

Genauso geht es mir jetzt. Ich wünschte, ich könnte all die interessanten Gebäude um mich herum irgendwie in Worte fassen. Es ist nicht das erste Mal, dass ich etwas in der Art denke. Wenn ich zum Beispiel in der Natur unterwegs bin, und etwa auf der Halde Hoheward meinen Blick über die bunten, hochgewachsenen Wiesen schweifen lasse – dann denke ich oft: „Wäre doch cool Botanik zu studieren und für all diese Pflanzen die lateinischen Begriffe zu kennen“ – einfach, um meine Eindrücke in Worte fassen zu können.   

Aber so ist das wohl, wenn man schreibt. Auch wenn es nahezu unmöglich ist, Gefühle, Objekte oder Stimmungen perfekt in Sprache zu übersetzen und es stets eine Annäherung bleibt, so spüre ich in mir den starken Wunsch, mich auszudrücken. Und die Wahrheit liegt ohnehin meist zwischen den Zeilen.

Deswegen ist es vielleicht sogar gut, wenn ich all diese präzisen Begriffe nicht kenne – dann habe ich die Freiheit, meine eigenen Worte zu finden. Macht auch viel mehr Spaß.

Mit diesem Gedanken verabschiede ich mich von Kö-Bogen II und flaniere weiter durch die Stadt, von jetzt an zu zweit.

Momentaufnahmen in Düsseldorf: Über Little Tokio zum Kö-Bogen II

  • 22. Mai 2025 – 4 Min. Lesezeit

Inspiration tanken bei einem Spaziergang durch Düsseldorf

Mein Künstlertreff in Düsseldorf führt mich über Little Tokio bis hin zum Kö-Bogen II durch die Großstadt. Was sind meine Eindrücke? Und wie beschreibt man eigentlich Architektur?

Auf einem kirmes-artigen Gelände vor dem Düsseldorfer Schauspielhaus proben zwei Schauspieler ein dramatisches Liebesspiel. Sie stehen auf dem Dach des tunnel of love, eines rosafarbenen Containers mit zwei herzförmigen Eingängen. Gerade bin ich vom Düsseldorfer Hauptbahnhof aus über die Immermannstraße in Richtung Kö-Bogen II gelaufen. Jetzt sitze ich auf einem Stein gegenüber der strahlend weißen Fassade des D’Haus.

Das heutige Wetter zeigt Düsseldorf von seiner besten Seite. Es gibt endlos viel zu sehen; unzählige Verlockungen warten in den Restaurants und Geschäften auf mich, doch das Einzige, was ich mir gönne, ist ein Mochi mit Yuzu-Creme-Füllung, den ich mir auf der Immermannstraße, oder besser gesagt in Little Tokio kaufe. Es ist der Ort, an dem die japanische Gemeinschaft Düsseldorfs beheimatet ist. Dicht aneinandergereiht und mit Bannern voller japanischer Schriftzeichen geschmückt, bieten Restaurants und Imbisse hier Ramen, Gyoza und andere Leckereien an.

Zu schade, dass ich bei meinen letzten Düsseldorf-Besuchen immer genau den falschen Weg in Richtung Carlsplatz eingeschlagen habe und geradewegs an Little Tokio vorbeigelaufen bin. Dabei eignet sich diese Ecke bestens für einen Künstlertreff – mit nur wenigen Schritten tauche ich in eine kleine Welt voller geheimnisvoller Ladenlokale ein. Ein bisschen fühle ich mich hier fremd – aber auf eine gute Art. Ich flaniere auf beiden Seiten der Straße hin und her, stöbere in einem japanischen Buchladen, wo ich die fremden Schriftzeichen bewundere, und lasse mich von hübschen Porzellanschälchen und katzenförmigen Stäbchenablagen in die Geschäfte locken.

„Ich lieb dich, Helena!“, ruft der Schauspieler laut von der Bühne herunter, während ich in meinem Notizbuch über Little Tokio schreibe. „Ich liiieeeb dich!“

Helena sitzt auf einem gigantischen Schwan aus Plastik, dessen Hals von einer roten Geschenkschleife geschmückt wird. Später laufen die Protagonisten umeinander her, kebbeln sich auf dem tunnel of love, sind verzweifelt. Man kann die Kunst nur lieben.

Ich denke, dass man sich als Schauspieler auf der Bühne oft verausgaben muss. Das kann bestimmt sehr befreiend sein, kostet aber auch viel Kraft.

Der Wind weht mir kräftig durchs Haar, es ist das perfekte Frühlingswetter. Mein Notizbuch fliegt fast weg, aber in der gleißenden Sonne ist das eine willkommene Abwechslung.

Die Stadt kommt mir gigantisch vor.

Alles am Kö-Bogen II gefällt mir. Der Gustaf-Gründgens-Platz hat so eine wunderschöne Weite, die den Himmel mindestens genauso groß wirken lässt wie die Stadt selbst. Überall hebt sich das Grün gegen das Blau, überall rahmen lineare und gewellte Formen die Umgebung ein, und dann spürt man plötzlich die Schönheit der Moderne, die klaren Formen im Vergleich zum Stuck des Alten. Obwohl die Altstädte wohl trotzdem niemals ihren Reiz verlieren.

So gefällt mir in Düsseldorf – ähnlich wie in Lille – gerade die gelungene Symbiose aus Tradition und Moderne. Ich gehe noch ein bisschen weiter durch die Stadt und lasse alles auf mich wirken. Eigentlich wollte ich noch zu den Gehry-Bauten, aber daraus wird heute nichts mehr.

Ist aber auch nicht schlimm, denn auf meinen Wegen kreuz und quer durch Düsseldorf gibt es genug coole Architektur zu sehen.

Seit einiger Zeit schaue ich den YouTube-Kanal von Abby Geigerman, einer jungen Autorin, die in sympathischen Vlogs von ihren Schreibprozessen und neusten Projekten erzählt. Teil ihrer Schreibroutine sind dabei immer wieder auch kleine Spaziergänge durch San Francisco, wo sie in gemütlichen Cafés ihre Writing Sprints einlegt.

In einem ihrer letzten Videos stapft Abby einen ziemlich steilen Berg hinunter und erzählt dabei: „The architecture in this city is just so rich, it’s very inspiring. I wish sometimes, you know, if I were a trust fund kid – I don’t know if you ever play this game with yourself, but like, if you didn’t really have to make money at all, what would you do? Sometimes I’m like ‚Wow, it would be kind of fun to get an architecture’s degree‘ – just to have the vocabulary to describe all the fun buildings I wanna describe.

Genauso geht es mir jetzt. Ich wünschte, ich könnte all die interessanten Gebäude um mich herum irgendwie in Worte fassen. Es ist nicht das erste Mal, dass ich etwas in der Art denke. Wenn ich zum Beispiel in der Natur unterwegs bin, und etwa auf der Halde Hoheward meinen Blick über die bunten, hochgewachsenen Wiesen schweifen lasse – dann denke ich oft: „Wäre doch cool Botanik zu studieren und für all diese Pflanzen die lateinischen Begriffe zu kennen“ – einfach, um meine Eindrücke in Worte fassen zu können.   

Aber so ist das wohl, wenn man schreibt. Auch wenn es nahezu unmöglich ist, Gefühle, Objekte oder Stimmungen perfekt in Sprache zu übersetzen und es stets eine Annäherung bleibt, so spüre ich in mir den starken Wunsch, mich auszudrücken. Und die Wahrheit liegt ohnehin meist zwischen den Zeilen.

Deswegen ist es vielleicht sogar gut, wenn ich all diese präzisen Begriffe nicht kenne – dann habe ich die Freiheit, meine eigenen Worte zu finden. Macht auch viel mehr Spaß.

Mit diesem Gedanken verabschiede ich mich von Kö-Bogen II und flaniere weiter durch die Stadt, von jetzt an zu zweit.