Künstlertreff zur Jahrhunderthalle Bochum: Skatepark von Mette Ingvartsen
Knallende Boards, laute Musik und jede Menge Spaß: Hier findest du meine Eindrücke und Gedanken zur Premiere von „Skatepark“ bei der Ruhrtriennale 2023.
Die dänische Choreographin Mette Ingvartsen verwandelt bei der diesjährigen Ruhrtriennale die Jahrhunderthalle Bochum in einen Skatepark, der auch titelgebend für ihre choreographische Arbeit ist. Skatepark beschreibt dabei nicht nur einen Ort, an dem junge Menschen mit ihren Boards verschiedene Tricks üben, sondern auch die Subkultur, die sich dort versammelt. Diese hat einen ganz eigenen Habitus, eine eigene Art und Weise, über das Skaten miteinander zu kommunizieren. Und obwohl ich ihre Sprache nicht spreche, können mich die Performer:innen tief in ihr Universum hineinziehen.
Auf der Bühne der Ruhrtriennale spinnt Ingvartsen das alltägliche Geschehen eines Skateparks zu einer anfachenden Geschichte, in der wir die Protagonisten durch Tag und Nacht begleiten. Wir schauen dabei zu, wie die Skater:innen Tricks üben und hinfallen, wie sie auf Rollen über die Halfpipe gleiten und sie sich dabei anspornen, bejubeln und näherkommen. Dabei entsteht ein so intensives Gefühl von Bewegung und Gemeinschaft, dass es mir vorkommt, als wäre nicht die Bühne zum Skatepark, sondern der Skatepark zur Bühne gemacht worden. Aber alles von vorne.
Schon der Aufstieg zur Jahrhunderthalle gefällt mir, als ich über flache Treppenstufen aus Pflastersteinen einen kleinen Hügel hinaufwandere. Eben noch mitten in der Stadt, finde ich mich jetzt in einer Umgebung aus grauen Matschpfützen, saftigen Wiesen und moderner Architektur wieder. Ich bin noch nie hier gewesen und freue mich wieder einmal darüber, was es im Ruhrgebiet alles zu entdecken gibt. Zugegeben, von Bochum habe ich bis auf die Ruhr-Uni und das Bermuda-Dreieck bisher ohnehin nicht viel gesehen.
Irgendwie bin ich ein wenig aufgeregt und freue mich darauf, mal wieder das vertraute Knallen von Boards in den Ohren zu haben. Das Geräusch ist eine entfernte Erinnerung an meine Kindheit, als meine großen Brüder auf dem kleinen Hof direkt vor unserer Wohnung geskatet sind. Aus dem Sperrmüll der Autowerkstatt nebenan bauten sie sich Hindernisse, und manchmal gingen sie mit anderen Skatern weg und kamen mit abgewetzten Schuhen, blutigen Knien und aufgerissenen Jeanshosen wieder nach Hause. Ich war der größte Fan meiner Brüder, sie waren unfassbar cool mit ihren dicken Vans, den lockeren Hosen und diesem gleitenden Vibe auf dem Skateboard.
Bevor es losgeht, setze ich mich auf der ziemlich engen Tribüne auf meinen Sitzplatz und kann schon jetzt einigen Jungs und Mädels beim Skaten zusehen. Sie alle sind unter dreißig, die jüngsten sicher in etwa zehn oder zwölf Jahre alt. Dann fängt es endlich an: Ein junges Mädchen geht mit einem Verstärker auf der Schulter (und natürlich mit ihrem Board in der Hand) die Tribüne hinunter. Unten im Skatepark angekommen, beginnt sie locker zu skaten. Immer mehr Skater:innen kommen dazu, und obwohl es eine Art Choreographie gibt, scheint sich auf der Bühne ein Eigenleben zu entwickeln.
Schnell wird spürbar, dass es in Skatepark nicht nur um das Darstellen einer Gemeinschaft geht, sondern dass diese Gemeinschaft tatsächlich besteht: Die Tänzer:innen und Skater:innen kennen und respektieren sich untereinander. Es ist die Art und Weise, wie sie jubeln, wenn einer von ihnen einen Trick schafft, oder wie sie sich lachend umarmen, wenn sie fast ineinander crashen. Ihre Hosen sind locker und weit, denn es geht um Bewegungsfreiheit, und dennoch hat jeder seinen eigenen Stil und zeigt Individualität.
Obwohl sie Kostüme tragen, können es doch keine richtigen Kostüme sein. Denn Skaten bedeutet, sich selbst auszudrücken und über die Tricks und Bewegungen zu kommunizieren. Innerhalb des Skateparks entstehen ganz eigene Styles, Muster und Choreographien und all das ist es, was in der Arbeit von Ingvartsen und den Skater:innen deutlich wird.
Dabei darf ich nicht vergessen, dass sich die Darsteller:innen nicht nur übers Skaten und Tanzen ausdrücken, sondern auch über alles, was sonst so dazugehört: Breakdance, Beatboxen, Singen, Sprayen, laut Musik Hören und das eigene Dasein feiern. Erst spielt jemand Bass, dann dröhnt laute Techno-Musik durch die Halle, zu der ein Junge die Vocals ins Mikrofon zischt.
Im Gesang der Mädchen erkenne ich Lieder wie Drop the Game und Nightcall wieder, deren Texte zum Geschehen passen. Und je mehr die Skater:innen und Tänzer:innen die Bühne zu ihrer eigenen Party machen, desto größer wird mein Bedürfnis, von meinem Platz aufzustehen und mitzufeiern. Ich will ein Teil von ihnen sein!
Umso quälender ist es, eingepfercht auf dieser steilen Tribüne zu sitzen, in einem Publikum, das kaum mitjubelt und in dem sich nur die wenigsten zur Musik bewegen. Zeitweise entsprach die Musik so sehr meinem Geschmack, dass ich mit dem Kopf wippte und meine Beine vor lauter Bewegungsdrang kribbelten. Innerlich war ich drauf und dran, den Zuschauerraum zu verlassen und wild mitzutanzen, wenn ich schon nicht skaten kann. Doch leider bin ich eben kein Teil dieser Gemeinschaft dort unten – auch das wurde mir während der Performance klar.
Beim Schlussapplaus strahlen wirklich alle Menschen und klatschen sich die Hände tot, inklusive mir. Draußen ist es inzwischen dunkel geworden. Ich stöbere noch an einem Bücherstand und kaufe mir Kurz vor dem Rand von Eva Rottmann. Dann gehe ich nach draußen und lasse alles auf mich wirken, diese ganze begeisterte Stimmung. Direkt vor mir die Pappelwaldkantine, noch so ein toller Place-to-be. Hier herrscht Lichterketten-Atmosphäre und After-Show-Stimmung, vor der Theke hat sich eine lange Schlange aus Menschen gebildet, die noch Weißwein trinken wollen, oder so ähnlich.
Ich muss jetzt damit zurechtkommen, dass ich Lust habe, mal wieder feiern zu gehen und mich so richtig leer zu tanzen. Und wer weiß, vielleicht sehe ich mir nach dem heutigen Skatepark bald noch etwas anderes auf der Ruhrtriennale an.
Es spricht also für die besondere Anziehungskraft von Skateparks, dass es ihnen gelungen ist, ein Pendeln zwischen Ordnung und Unordnung, Beherrschung und Exzess, Wettbewerb und Spaß am Leben zu erhalten.
Künstlertreff zur Jahrhunderthalle Bochum: Skatepark von Mette Ingvartsen
Knallende Boards, laute Musik und jede Menge Spaß: Hier findest du meine Eindrücke und Gedanken zur Premiere von „Skatepark“ bei der Ruhrtriennale 2023.
Was passiert in „Skatepark“ von Mette Ingvartsen?
Die dänische Choreographin Mette Ingvartsen verwandelt bei der diesjährigen Ruhrtriennale die Jahrhunderthalle Bochum in einen Skatepark, der auch titelgebend für ihre choreographische Arbeit ist. Skatepark beschreibt dabei nicht nur einen Ort, an dem junge Menschen mit ihren Boards verschiedene Tricks üben, sondern auch die Subkultur, die sich dort versammelt. Diese hat einen ganz eigenen Habitus, eine eigene Art und Weise, über das Skaten miteinander zu kommunizieren. Und obwohl ich ihre Sprache nicht spreche, können mich die Performer:innen tief in ihr Universum hineinziehen.
Auf der Bühne der Ruhrtriennale spinnt Ingvartsen das alltägliche Geschehen eines Skateparks zu einer anfachenden Geschichte, in der wir die Protagonisten durch Tag und Nacht begleiten. Wir schauen dabei zu, wie die Skater:innen Tricks üben und hinfallen, wie sie auf Rollen über die Halfpipe gleiten und sie sich dabei anspornen, bejubeln und näherkommen. Dabei entsteht ein so intensives Gefühl von Bewegung und Gemeinschaft, dass es mir vorkommt, als wäre nicht die Bühne zum Skatepark, sondern der Skatepark zur Bühne gemacht worden. Aber alles von vorne.
Die Jahrhunderthalle und Erinnerungen ans Skaten
Schon der Aufstieg zur Jahrhunderthalle gefällt mir, als ich über flache Treppenstufen aus Pflastersteinen einen kleinen Hügel hinaufwandere. Eben noch mitten in der Stadt, finde ich mich jetzt in einer Umgebung aus grauen Matschpfützen, saftigen Wiesen und moderner Architektur wieder. Ich bin noch nie hier gewesen und freue mich wieder einmal darüber, was es im Ruhrgebiet alles zu entdecken gibt. Zugegeben, von Bochum habe ich bis auf die Ruhr-Uni und das Bermuda-Dreieck bisher ohnehin nicht viel gesehen.
Irgendwie bin ich ein wenig aufgeregt und freue mich darauf, mal wieder das vertraute Knallen von Boards in den Ohren zu haben. Das Geräusch ist eine entfernte Erinnerung an meine Kindheit, als meine großen Brüder auf dem kleinen Hof direkt vor unserer Wohnung geskatet sind. Aus dem Sperrmüll der Autowerkstatt nebenan bauten sie sich Hindernisse, und manchmal gingen sie mit anderen Skatern weg und kamen mit abgewetzten Schuhen, blutigen Knien und aufgerissenen Jeanshosen wieder nach Hause. Ich war der größte Fan meiner Brüder, sie waren unfassbar cool mit ihren dicken Vans, den lockeren Hosen und diesem gleitenden Vibe auf dem Skateboard.
Bunter Trubel und echte Gemeinschaft im Skatepark
Bevor es losgeht, setze ich mich auf der ziemlich engen Tribüne auf meinen Sitzplatz und kann schon jetzt einigen Jungs und Mädels beim Skaten zusehen. Sie alle sind unter dreißig, die jüngsten sicher in etwa zehn oder zwölf Jahre alt. Dann fängt es endlich an: Ein junges Mädchen geht mit einem Verstärker auf der Schulter (und natürlich mit ihrem Board in der Hand) die Tribüne hinunter. Unten im Skatepark angekommen, beginnt sie locker zu skaten.
Immer mehr Skater:innen kommen dazu, und obwohl es eine Art Choreographie gibt, scheint sich auf der Bühne ein Eigenleben zu entwickeln. Schnell wird spürbar, dass es in Skatepark nicht nur um das Darstellen einer Gemeinschaft geht, sondern dass diese Gemeinschaft tatsächlich besteht: Die Tänzer:innen und Skater:innen kennen und respektieren sich untereinander. Es ist die Art und Weise, wie sie jubeln, wenn einer von ihnen einen Trick schafft, oder wie sie sich lachend umarmen, wenn sie fast ineinander crashen. Ihre Hosen sind locker und weit, denn es geht um Bewegungsfreiheit, und dennoch hat jeder seinen eigenen Stil und zeigt Individualität.
Obwohl sie Kostüme tragen, können es doch keine richtigen Kostüme sein. Denn Skaten bedeutet, sich selbst auszudrücken und über die Tricks und Bewegungen zu kommunizieren. Innerhalb des Skateparks entstehen ganz eigene Styles, Muster und Choreographien und all das ist es, was in der Arbeit von Ingvartsen und den Skater:innen deutlich wird.
Hartes Abfeiern mit Popkultur-Referenzen
Dabei darf ich nicht vergessen, dass sich die Darsteller:innen nicht nur übers Skaten und Tanzen ausdrücken, sondern auch über alles, was sonst so dazugehört: Breakdance, Beatboxen, Singen, Sprayen, laut Musik Hören und das eigene Dasein feiern. Erst spielt jemand Bass, dann dröhnt laute Techno-Musik durch die Halle, zu der ein Junge die Vocals ins Mikrofon zischt. Im Gesang der Mädchen erkenne ich Lieder wie Drop the Game und Nightcall wieder, deren Texte zum Geschehen passen. Und je mehr die Skater:innen und Tänzer:innen die Bühne zu ihrer eigenen Party machen, desto größer wird mein Bedürfnis, von meinem Platz aufzustehen und mitzufeiern. Ich will ein Teil von ihnen sein!
Umso quälender ist es, eingepfercht auf dieser steilen Tribüne zu sitzen, in einem Publikum, das kaum mitjubelt und in dem sich nur die wenigsten zur Musik bewegen. Zeitweise entsprach die Musik so sehr meinem Geschmack, dass ich mit dem Kopf wippte und meine Beine vor lauter Bewegungsdrang kribbelten. Innerlich war ich drauf und dran, den Zuschauerraum zu verlassen und wild mitzutanzen, wenn ich schon nicht skaten kann. Doch leider bin ich eben kein Teil dieser Gemeinschaft dort unten – auch das wurde mir während der Performance klar.
Not gonna leave this place with us
Beim Schlussapplaus strahlen wirklich alle Menschen und klatschen sich die Hände tot, inklusive mir. Draußen ist es inzwischen dunkel geworden. Ich stöbere noch an einem Bücherstand und kaufe mir Kurz vor dem Rand von Eva Rottmann. Dann gehe ich nach draußen und lasse alles auf mich wirken, diese ganze begeisterte Stimmung. Direkt vor mir die Pappelwaldkantine, noch so ein toller Place-to-be. Hier herrscht Lichterketten-Atmosphäre und After-Show-Stimmung, vor der Theke hat sich eine lange Schlange aus Menschen gebildet, die noch Weißwein trinken wollen, oder so ähnlich.
Ich muss jetzt damit zurechtkommen, dass ich Lust habe, mal wieder feiern zu gehen und mich so richtig leer zu tanzen. Und wer weiß, vielleicht sehe ich mir nachdem heutigen Skatepark bald noch etwas anderes auf der Ruhrtriennale an.
„Es spricht also für die besondere Anziehungskraft von Skateparks, dass es ihnen gelungen ist, ein Pendeln zwischen Ordnung und Unordnung, Beherrschung und Exzess, Wettbewerb und Spaß am Leben zu erhalten.“