Hoch hinaus in Oberhausen: Mein Erfahrungsbericht zum Besuch des Gasometers
Bei meinem Künstlertreff zum Gasometer in Oberhausen genieße ich das vielseitige Ruhrgebiets-Ambiente und lasse mich von der Ausstellung Das zerbrechliche Paradies inspirieren. Komm mit mir aufs Gasometer-Panoramadach und entdecke den Gipfel des Ruhrgebiets!
Den Gasometer in Oberhausen habe ich schon oft von Weitem gesehen, da er als höchstes Gebäude des Ruhrgebiets stets heraussticht. Am nächsten war ich dem Industriedenkmal das letzte Mal wohl bei meinem Künstlertreff zur Slinky Springs-Brücke. Schon damals sah ich das riesige Werbebanner für Das zerbrechliche Paradies, eine beeindruckende Ausstellung über unseren Planeten, die nur noch bis zum 26. November 2023 im Gasometer zu sehen ist. Ihr habt also noch etwas Zeit, es euch selbst anzusehen.
Mein Künstlertreff beginnt in der Linie U18, mit der ich zum Mülheimer Hauptbahnhof fahre. Die U18 verläuft einen großen Teil der Strecke parallel zur A40 und nimmt dabei insgesamt drei Einkaufszentren mit: den Limbecker Platz, das Rhein-Ruhr-Zentrum (RRZ) und das Forum am Mülheimer Hbf. Ich liebe es, mit der U18 zu fahren, weil der Ausblick durch ihren besonderen Streckenverlauf so einzigartig ist. Wenn ich an einer der Autobahn-Haltestellen stehe, zischen die Autos schnell und rauschend an mir vorbei, und manchmal, wenn sie im Stau stehen, kann ich die einzelnen Autofahrer beobachten.
Nach der Haltestelle am Rhein-Ruhr-Zentrum wird es besonders cool, und wer U-Bahnfahren sonst langweilig findet, sollte hier mal genauer aus dem Fenster schauen. Tagsüber ist der beste Sitzplatz ganz vorne, direkt hinter der Fahrerkabine. Hier kann man den sonst unzugänglichen Blickwinkel des Zugfahrers einnehmen und die Windungen der Gleise direkt vor sich sehen.
Immer, wenn ich diesen Streckenabschnitt fahre, fühle ich mich wie in einer Achterbahn durch eine fremde Welt. Jede Haltestelle hat ihren ganz eigenen Charakter, je nachdem, ob sie sich unter einer dunklen Brücke versteckt, direkt über dem Einkaufszentrum thront oder – wie die Rosendeller Straße – so verlassen und unzugänglich wirkt, als stamme sie aus einem Science-Fiction-Film. Geschickt schlängelt sich das gelbe Gefährt durch die urbanen Hindernisse aus Tunneln, Brücken und Betonbauten.
Wie auf einem langgestreckten Hügel geht es mit der Bahn immer wieder rauf und runter: Wo mich eben noch die Dunkelheit des Tunnels umgibt, werde ich im nächsten Moment vom Herbstlicht geküsst. Bäume umsäumen die Haltestellen, als eroberten sie sich die Welt zurück, und es ist selten eindeutig, ob ich mich drinnen oder draußen befinde.
Schließlich fahren wir am Mülheim Hbf ein. Ich steige aus und durchquere das Forum in Richtung Kaiserplatz, wo ich in die Straßenbahn 112 einsteigen will. Als ich an der Haltestelle stehe, überkommt mich wieder dieses seltsame Mülheim-Gefühl: Es ist so schön hier! Vielleicht liegt es an den vielen Platanen, die die Straßen umsäumen? Oder ist es nur die Abwechslung, in einer anderen Stadt zu sein? Immerhin gibt es trotz der typischen Ruhrpott-Elemente einige schöne alte Gebäude zu sehen, und das sonnige Herbstwetter tut den Rest dazu.
Also klebe ich auch in der Straßenbahn 112 mit der Nase an der Fensterscheibe. Eine halbe Stunde lang ziehen Mülheim und Oberhausen an mir vorbei, Supermärkte, Geschäfte, Menschen.
Es ist ein langer Weg zum Gasometer, und auch wenn ich gerne Bahn fahre, habe ich am Ende dann doch keine Lust mehr. Nach mehr als einer Stunde komme ich an der Neuen Mitte an und bin plötzlich überhaupt nicht mehr motiviert, einen Künstlertreff zu machen. Zum Gasometer laufen und noch länger unterwegs sein? Irgendetwas in mir jammert, dass das doch alles so anstrengend ist. Aber da ich nun schon in Oberhausen bin, möchte ich nicht mehr umkehren – Gott sei Dank. Nach einem kleinen Stück zu Fuß betrete ich also endlich das Gelände des Gasometers.
Der Gasometer Oberhausen ist das größte und höchste Industriedenkmal des Ruhrgebiets. Der ehemalige Scheibengasbehälter, der noch bis 1988 in Betrieb war, ähnelt von außen einem gigantischen Metallfass. Zu jener Zeit wurden hier verschiedene Gas-Abfallprodukte zwischengelagert. Mit einem Speichervolumen von 347.000 Kubikmetern, einer Höhe von 117 Metern und einem Durchmesser von knapp 68 Metern verfügt das Gebäude über wahrlich gewaltige Ausmaße. Nach der Stilllegung des Industriebehälters begann im Jahr 1993 der Umbau zur größten Ausstellungshalle Europas, die über insgesamt drei Ebenen verfügt.
Im Vergleich zu vielen anderen kulturell genutzten Industriebauten merkt man dem Gasometer seinen ursprünglich industriellen Zweck noch sehr an. Während mir etwa im Ruhr Museum sofort einleuchtete, dass das Zechengelände zum Kulturort umgeformt worden ist, strahlt der Gasometer so viel ‚Schwerindustrie‘ aus, dass das Konzept Museum doch sehr mit der industriellen Bauweise zusammenprallt. Wie sich noch herausstellen wird, bestätigt sich mein erster Eindruck auch im Inneren des Gebäudes.
Sobald ich durch die verhältnismäßig kleine Eingangstür trete, spüre ich, dass auch die Stimmung im Gasometer eine völlig andere ist als in den meisten herkömmlichen Museen. Aufgrund der zylindrischen Form des Gebäudes handelt es sich bei der Ausstellungshalle nicht um den klassischen white cube; stattdessen ließe sich das Ausstellungskonzept frei formuliert als concentric circle bezeichnen.
Auch die Ausstellungsstücke – in diesem Fall überwiegend großformatige Fotografien – müssen sich an die eigenartige Räumlichkeit anpassen: Überall im Raum verteilt und kreisförmig angeordnet, hängen sie beidseitig bedruckt von der Decke. Dazwischen findet man Bildschirme und kleine Vitrinen mit Dinosaurier-Eiern oder einem Vulkanausbruch-Opfer. Die Besucher der Ausstellung bewegen sich zumeist spiralförmig im Raum und arbeiten sich abschnittsweise durch die Fotografien. Dabei ist die gesamte Halle in konzentrischen Kreisen strukturiert wie eine Dart-Scheibe, auf der man sich spiralförmig bewegen kann.
Mir fällt sofort die besondere Geräuschkulisse im Gasometer auf, die ich zunächst als störend empfinde. Es ist ein konstantes Gemurmel im Raum zu hören, das durch das schummrige Licht und den gedämpften Hall des Gebäudes noch verstärkt wird. Besonders irritierend finde ich, dass es auf der untersten Ausstellungsebene ein Café und einen Museumsshop gibt, die beide nicht in das Gesamtbild hineinpassen wollen. Ich drehe also meine Runden auf der Dartscheibe und muss mich erstmal an alles gewöhnen.
Mit der Zeit finde ich jedoch Gefallen an dieser neuen Art der Ausstellung und tauche in die eindrucksvollen Fotografien ein. Meist handelt es sich um dokumentarische Fotografien von Tieren und Naturereignissen, die mich über die unendlichen Facetten unserer Welt staunen lassen. Was sich schon hier unten in einigen der Bilder und Videos andeutet, wird auf der zweiten Etage noch deutlicher: die Fotografien verändern sich, zeigen zunehmend den Wahnsinn der Menschheit.
Statt von Natur erzählen sie jetzt von Verschmutzung, Massenkonsum, Bränden, Zerstörung und menschlicher Selbstsucht. Die Kunstwerke zeigen uns Menschen als Virus, der die Erde befallen hat. Der gigantische Organismus kämpft mit seinem Fieber gegen uns an. Und obwohl das alles sehr deprimierend anzuschauen ist, freue ich mich doch auf die nächste Ebene, weil ich schon ahnen kann, was mich dort erwarten wird.
Dieses schöne, warme, lebendige Objekt sah so zerbrechlich aus, so zart, dass es, wenn man es mit einem Finger berührte, zerbröseln und auseinanderfallen würde. So etwas zu sehen, muss einen Menschen verändern.
– James B. Irwin, Apollo-Astronaut
Auf der zweiten Ebene ermöglichen zwei Treppenaufgänge den Aufstieg zur dritten und eindrucksvollsten Ausstellungsebene, die sich oberhalb der ehemaligen Gasdruckscheibe befindet. Ganz langsam steige ich die Stufen nach oben. Um mich herum wird es immer dunkler, je näher ich der nächsten Ebene komme.
Plötzlich sehe ich nur noch dieses atemberaubende Blau, eine Farbe voller schöpferischer Energie. Über mir schwebt ein blauer Ball – mein Zuhause. Ich spüre eine kraftvolle Vorfreude in mir, die ebenso groß ist wie meine Ehrfurcht. Dann gehe ich tiefer in den Raum hinein und entdecke die Tribüne mit den vielen Besuchern, die dort auf den Rängen verweilen, um unseren Planeten aus der Weltall-Perspektive zu betrachten.
Die große Erdskulptur ermöglicht den Overview-Effekt für alle, die nicht in den Orbit fliegen können. Hier wird die Ehrfurcht, von der etliche Astronauten wie James B. Irwin und Alexander Gerst berichten, für uns alle spürbar. Ich bin im Weltall.
Auf einer Seite der obersten Halle gibt es ein Space-Shuttle, das nach oben zum Dach des Gasometers führt. In der schwarzen Dunkelheit der Ebene schießt es von der Erde weg, und ich denke: Das muss der tatsächliche Overview-Effekt sein, wenn man mit dem Aufzug nach oben fährt und die leuchtende Erde aus mehreren Metern Höhe sieht.
Statt den Aufzug zu nehmen, steige ich die mir unendlich erscheinenden 592 Treppenstufen der Außenanlage hoch, bis ich die 115 Meter erreicht habe. Ich bin die Einzige, die auf dem Metallgerüst nach oben wandert – nur einmal kommt mir jemand entgegen. Ich kann das gut verstehen, immerhin weht heute ein rauer Herbstwind, und es erfordert viel Durchhaltevermögen, bei dieser langen Treppe nicht aufzugeben.
Am Ende lohnt es sich jedoch, und das Gefühl von Befriedigung ist einfach größer, wenn man es aus eigener Kraft schafft. Am höchsten Punkt des Ruhrgebiets darf ich einen wunderbaren Sonnenuntergang beobachten, sehe die Emscher, die Essener Innenstadt, die glänzenden Bahngleise. Hier bin ich nun also, bereue nichts. Um mich herum nur nette Leute, eine atemberaubende Aussicht und das gute Gefühl, es für heute geschafft zu haben.
Beim Abstieg knallt mir das Wetter nochmal die volle Ladung Wind ins Gesicht, sodass ich mich oft festhalten muss. Ich friere ein wenig, halte die Arme fest um meinen Mantel geschlungen, damit er nicht weggefegt wird. Ich versuche meine Kamera gut festzuhalten, weiterzulaufen und trotzdem die Aussicht zu genießen, während alles unter mir langsam wieder größer wird.
Hoch hinaus in Oberhausen: Mein Erfahrungsbericht zum Besuch des Gasometers
Bei meinem Künstlertreff zum Gasometer in Oberhausen genieße ich das vielseitige Ruhrgebiets-Ambiente und lasse mich von der Ausstellung Das zerbrechliche Paradies inspirieren. Komm mit mir aufs Gasometer-Panoramadach und entdecke den Gipfel des Ruhrgebiets!
Den Gasometer in Oberhausen habe ich schon oft von Weitem gesehen, da er als höchstes Gebäude des Ruhrgebiets stets heraussticht. Am nächsten war ich dem Industriedenkmal das letzte Mal wohl bei meinem Künstlertreff zur Slinky Springs-Brücke. Schon damals sah ich das riesige Werbebanner für Das zerbrechliche Paradies, eine beeindruckende Ausstellung über unseren Planeten, die nur noch bis zum 26. November 2023 im Gasometer zu sehen ist. Ihr habt also noch etwas Zeit, es euch selbst anzusehen.
Eine Achterbahnfahrt zum Mülheim Hauptbahnhof
Mein Künstlertreff beginnt in der Linie U18, mit der ich zum Mülheimer Hauptbahnhof fahre. Die U18 verläuft einen großen Teil der Strecke parallel zur A40 und nimmt dabei insgesamt drei Einkaufszentren mit: den Limbecker Platz, das Rhein-Ruhr-Zentrum (RRZ) und das Forum am Mülheimer Hbf. Ich liebe es, mit der U18 zu fahren, weil der Ausblick durch ihren besonderen Streckenverlauf so einzigartig ist. Wenn ich an einer der Autobahn-Haltestellen stehe, zischen die Autos schnell und rauschend an mir vorbei, und manchmal, wenn sie im Stau stehen, kann ich die einzelnen Autofahrer beobachten.
Nach der Haltestelle am Rhein-Ruhr-Zentrum wird es besonders cool, und wer U-Bahnfahren sonst langweilig findet, sollte hier mal genauer aus dem Fenster schauen. Tagsüber ist der beste Sitzplatz ganz vorne, direkt hinter der Fahrerkabine. Hier kann man den sonst unzugänglichen Blickwinkel des Zugfahrers einnehmen und die Windungen der Gleise direkt vor sich sehen. Immer, wenn ich diesen Streckenabschnitt fahre, fühle ich mich wie in einer Achterbahn durch eine fremde Welt.
Jede Haltestelle hat ihren ganz eigenen Charakter, je nachdem, ob sie sich unter einer dunklen Brücke versteckt, direkt über dem Einkaufszentrum thront oder – wie die Rosendeller Straße – so verlassen und unzugänglich wirkt, als stamme sie aus einem Science-Fiction-Film. Geschickt schlängelt sich das gelbe Gefährt durch die urbanen Hindernisse aus Tunneln, Brücken und Betonbauten. Wie auf einem langgestreckten Hügel geht es mit der Bahn immer wieder rauf und runter: Wo mich eben noch die Dunkelheit des Tunnels umgibt, werde ich im nächsten Moment vom Herbstlicht geküsst. Bäume umsäumen die Haltestellen, als eroberten sie sich die Welt zurück, und es ist selten eindeutig, ob ich mich drinnen oder draußen befinde.
Eine lange Reise bis nach Oberhausen
Schließlich fahren wir am Mülheim Hbf ein. Ich steige aus und durchquere das Forum in Richtung Kaiserplatz, wo ich in die Straßenbahn 112 einsteigen will. Als ich an der Haltestelle stehe, überkommt mich wieder dieses seltsame Mülheim-Gefühl: Es ist so schön hier! Vielleicht liegt es an den vielen Platanen, die die Straßen umsäumen? Oder ist es nur die Abwechslung, in einer anderen Stadt zu sein? Immerhin gibt es trotz der typischen Ruhrpott-Elemente einige schöne alte Gebäude zu sehen, und das sonnige Herbstwetter tut den Rest dazu.
Also klebe ich auch in der Straßenbahn 112 mit der Nase an der Fensterscheibe. Eine halbe Stunde lang ziehen Mülheim und Oberhausen an mir vorbei, Supermärkte, Geschäfte, Menschen.
Es ist ein langer Weg zum Gasometer, und auch wenn ich gerne Bahn fahre, habe ich am Ende dann doch keine Lust mehr. Nach mehr als einer Stunde komme ich an der Neuen Mitte an und bin plötzlich überhaupt nicht mehr motiviert, einen Künstlertreff zu machen. Zum Gasometer laufen und noch länger unterwegs sein? Irgendetwas in mir jammert, dass das doch alles so anstrengend ist. Aber da ich nun schon in Oberhausen bin, möchte ich nicht mehr umkehren – Gott sei Dank. Nach einem kleinen Stück zu Fuß betrete ich also endlich das Gelände des Gasometers.
Der Gasometer: Ein gigantisches Industriedenkmal
Der Gasometer ist das größte und höchste Industriedenkmal des Ruhrgebiets. Der ehemalige Scheibengasbehälter, der noch bis 1988 in Betrieb war, ähnelt von außen einem gigantischen Metallfass. Zu jener Zeit wurden hier verschiedene Gas-Abfallprodukte zwischengelagert. Mit einem Speichervolumen von 347.000 Kubikmetern, einer Höhe von 117 Metern und einem Durchmesser von knapp 68 Metern verfügt das Gebäude über wahrlich gewaltige Ausmaße. Nach der Stilllegung des Industriebehälters begann im Jahr 1993 der Umbau zur größten Ausstellungshalle Europas, die über insgesamt drei Ebenen verfügt.
Im Vergleich zu vielen anderen kulturell genutzten Industriebauten merkt man dem Gasometer seinen ursprünglich industriellen Zweck noch sehr an. Während mir etwa im Ruhr Museum sofort einleuchtete, dass das Zechengelände zum Kulturort umgeformt worden ist, strahlt der Gasometer so viel ‚Schwerindustrie‘ aus, dass das Konzept Museum doch sehr mit der industriellen Bauweise zusammenprallt. Wie sich noch herausstellen wird, bestätigt sich mein erster Eindruck auch im Inneren des Gebäudes.
Gedämpfte Stimmen und kreisendes Durcheinander
Sobald ich durch die verhältnismäßig kleine Eingangstür trete, spüre ich, dass auch die Stimmung im Gasometer eine völlig andere ist als in den meisten herkömmlichen Museen. Aufgrund der zylindrischen Form des Gebäudes handelt es sich bei der Ausstellungshalle nicht um den klassischen white cube; stattdessen ließe sich das Ausstellungskonzept frei formuliert als concentric circle bezeichnen. Auch die Ausstellungsstücke – in diesem Fall überwiegend großformatige Fotografien – müssen sich an die eigenartige Räumlichkeit anpassen: Überall im Raum verteilt und kreisförmig angeordnet, hängen sie beidseitig bedruckt von der Decke. Dazwischen findet man Bildschirme und kleine Vitrinen mit Dinosaurier-Eiern oder einem Vulkanausbruch-Opfer. Die Besucher der Ausstellung bewegen sich zumeist spiralförmig im Raum und arbeiten sich abschnittsweise durch die Fotografien. Dabei ist die gesamte Halle in konzentrischen Kreisen strukturiert wie eine Dart-Scheibe, auf der man sich spiralförmig bewegen kann.
Mir fällt sofort die besondere Geräuschkulisse im Gasometer auf, die ich zunächst als störend empfinde. Es ist ein konstantes Gemurmel im Raum zu hören, das durch das schummrige Licht und den gedämpften Hall des Gebäudes noch verstärkt wird. Besonders irritierend finde ich, dass es auf der untersten Ausstellungsebene ein Café und einen Museumsshop gibt, die beide nicht in das Gesamtbild hineinpassen wollen. Ich drehe also meine Runden auf der Dartscheibe und muss mich erstmal an alles gewöhnen.
Das Fieber des Planeten Erde
Mit der Zeit finde ich jedoch Gefallen an dieser neuen Art der Ausstellung und tauche in die eindrucksvollen Fotografien ein. Meist handelt es sich um dokumentarische Fotografien von Tieren und Naturereignissen, die mich über die unendlichen Facetten unserer Welt staunen lassen. Was sich schon hier unten in einigen der Bilder und Videos andeutet, wird auf der zweiten Etage noch deutlicher: die Fotografien verändern sich, zeigen zunehmend den Wahnsinn der Menschheit.
Statt von Natur erzählen sie jetzt von Verschmutzung, Massenkonsum, Bränden, Zerstörung und menschlicher Selbstsucht. Die Kunstwerke zeigen uns Menschen als Virus, der die Erde befallen hat. Der gigantische Organismus kämpft mit seinem Fieber gegen uns an. Und obwohl das alles sehr deprimierend anzuschauen ist, freue ich mich doch auf die nächste Ebene, weil ich schon ahnen kann, was mich dort erwarten wird.
Dieses schöne, warme, lebendige Objekt sah so zerbrechlich aus, so zart, dass es, wenn man es mit einem Finger berührte, zerbröseln und auseinanderfallen würde. So etwas zu sehen, muss einen Menschen verändern.
– James B. Irwin, Apollo-Astronaut
Ehrfurcht vor dem zerbrechlichen Paradies
Auf der zweiten Ebene ermöglichen zwei Treppenaufgänge den Aufstieg zur dritten und eindrucksvollsten Ausstellungsebene, die sich oberhalb der ehemaligen Gasdruckscheibe befindet. Ganz langsam steige ich die Stufen nach oben. Um mich herum wird es immer dunkler, je näher ich der nächsten Ebene komme. Plötzlich sehe ich nur noch dieses atemberaubende Blau, eine Farbe voller schöpferischer Energie. Über mir schwebt ein blauer Ball – mein Zuhause. Ich spüre eine kraftvolle Vorfreude in mir, die ebenso groß ist wie meine Ehrfurcht. Dann gehe ich tiefer in den Raum hinein und entdecke die Tribüne mit den vielen Besuchern, die dort auf den Rängen verweilen, um unseren Planeten aus der Weltall-Perspektive zu betrachten.
Die große Erdskulptur ermöglicht den Overview-Effekt für alle, die nicht in den Orbit fliegen können. Hier wird die Ehrfurcht, von der etliche Astronauten wie James B. Irwin und Alexander Gerst berichten, für uns alle spürbar. Ich bin im Weltall.
Auf einer Seite der obersten Halle gibt es ein Space-Shuttle, das nach oben zum Dach des Gasometers führt. In der schwarzen Dunkelheit der Ebene schießt es von der Erde weg, und ich denke: Das muss der tatsächliche Overview-Effekt sein, wenn man mit dem Aufzug nach oben fährt und die leuchtende Erde aus mehreren Metern Höhe sieht.
Krönender Abschluss: Das Panoramadach
Statt den Aufzug zu nehmen, steige ich die mir unendlich erscheinenden 592 Treppenstufen der Außenanlage hoch, bis ich die 115 Meter erreicht habe. Ich bin die Einzige, die auf dem Metallgerüst nach oben wandert – nur einmal kommt mir jemand entgegen. Ich kann das gut verstehen, immerhin weht heute ein rauer Herbstwind, und es erfordert viel Durchhaltevermögen, bei dieser langen Treppe nicht aufzugeben.
Am Ende lohnt es sich jedoch, und das Gefühl von Befriedigung ist einfach größer, wenn man es aus eigener Kraft schafft. Am höchsten Punkt des Ruhrgebiets darf ich einen wunderbaren Sonnenuntergang beobachten, sehe die Emscher, die Essener Innenstadt, die glänzenden Bahngleise. Hier bin ich nun also, bereue nichts. Um mich herum nur nette Leute, eine atemberaubende Aussicht und das gute Gefühl, es für heute geschafft zu haben.
Beim Abstieg knallt mir das Wetter nochmal die volle Ladung Wind ins Gesicht, sodass ich mich oft festhalten muss. Ich friere ein wenig, halte die Arme fest um meinen Mantel geschlungen, damit er nicht weggefegt wird. Ich versuche meine Kamera gut festzuhalten, weiterzulaufen und trotzdem die Aussicht zu genießen, während alles unter mir langsam wieder größer wird.