Künstlertreff zur FLOWERS-Ausstellung im Dortmunder U
Bei meinem heutigen Künstlertreff sehe ich mir das Dortmunder U an und flaniere durch die Ausstellung FLOWERS! Blumen in der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. Ich lasse mich inspirieren und denke darüber nach, warum wir stets die schönsten Blumen pflücken.
Auf dem Weg nach Dortmund ist der RE voll und draußen fisselt es. Als ich aus dem Hauptbahnhof trete finde ich, dass Dortmund sympathisch wirkt. Sehr städtisch, aber dafür doch sehr weit. Ich überquere die typischen zwei Straßen in Richtung Innenstadt, die es auch in Essen direkt vor dem Hauptbahnhof gibt: Straßen, bei denen die Fußgängerüberwege so breit sind wie Schiffe und die Ampeln dauernd grün werden, weil der Fußgängerfluss größer ist als der Fahrzeugfluss. Vielleicht fühle ich mich ja deshalb gleich so heimisch. Ich habe nicht einmal das Gefühl, mich verlaufen zu können, und das U ist ja auch – um ehrlich zu sein – überhaupt nicht zu übersehen.
Ich komme an einem Café vorbei, an dem es „Homemade Cake W-Lan“ gibt, auch wenn das wahrscheinlich keine Absicht ist. Als ich mich später im U auf der Etage der Dortmunder Kunststudierenden befinde, denke ich: Die könnten sicher ein hausgemachtes Kuchen-W-Lan anfertigen, weil sie dafür kreativ genug sind. In der kleinen Ausstellung erfreue ich mich an einem gefotoshopten Fotoprojekt, in dem eine Menschenmenge aus ein- und demselben Mann besteht, und dann lese ich ein umweltkritisches Plastik-Collagen-Buch.
Innerhalb des U’s genieße ich den Aufstieg auf den vielen Rolltreppen und fahre gelegentlich nochmal eine Etage runter, um das Hochfahren ein zweites Mal zu genießen.
Mein vorerstes Ziel ist die Dachterrasse. Als ich es schließlich hinaufgeschafft habe, bin ich dort ganz allein. Die Dachterrasse ist erstaunlich klein, der Blick über die Stadt ist toll, das U glitzert direkt neben mir, es ist alles sehr feucht. Irgendwann kommt ein Mensch in meinem Alter dazu und wir stehen beide seltsam nebeneinander herum und genießen die Aussicht. Mental verbünde ich mich mit ihm, weil er sich so an meine Ausstrahlung angepasst hat beim Seltsam-Herumstehen und Absichtlich-die-Aussicht-Genießen.
Danach begebe ich mich ohne Umwege zu der Ausstellung, die ich mir für heute ausgesucht habe: FLOWERS. Blumen in der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. In einer Art japanischem Meditationsraum kann man dem Wachsen einer Blume live zusehen und dabei seltsamer Musik lauschen. Ich fühle mich in diesem Raum ganz schön komisch und gehe daher schnell wieder hinaus. Doch der Raum ist nur ein kleiner Teil der Ausstellung, in der es noch viel mehr zu sehen gibt – in erster Linie natürlich Blumen. Mit so vielen Pflanzen konfrontiert zu sein, zwingt mich dazu, anders über sie nachzudenken. Folgendes ist mir besonders in Erinnerung geblieben:
In der Flowers-Ausstellung gibt es eine Art Installation, die sich wie eine kleine Theaterbühne über den gesamten Raum erstreckt und mit überdimensional großen Rosenblütenblätter gespickt ist. Natürlich steht da: „Betreten verboten!“, das schreckliche Verbot der Kunstausstellungen. Physisch muss ich mich daran halten, aber meine Vorstellungskraft ist frei. Ich fantasiere darüber, wie ich vorsichtig auf die Plattform trete und zu tanzen beginne. Mein Körper wiegt sich in Bewegungen, die er früher einmal verinnerlicht hat, modern dance. Man könnte so vieles mit den Rosenblättern anstellen, man könnte sie umarmen, sie als Regenhut oder Requisite benutzen, um eine Geschichte zu erzählen. Wäre ich Choreographin, würden mich die Blütenblätter zu einer zauberhaften Aufführung inspirieren.
Wenn ein Strauß welkender Blumen auf einem barocken Gemälde festgehalten wird, so ist das ein Zeichen für die Vergänglichkeit des Lebens. Die im Moment des Malens vielleicht noch prächtig blühenden Pflanzen, die jetzt noch Vitalität und Lebenskraft ausstrahlen, werden schon bald vergangen sein – oder womöglich sind sie es schon. So wohnt man dem Zerfallsprozess der Schönheit als stiller Betrachter bei. Gerade die so oft abgebildeten Schnittblumen sind unumgänglich dem Tod geweiht: Hätten wir die Blumen nicht gepflückt, würden sie dann jetzt noch strahlen?
Ich denke darüber nach, warum wir dazu neigen, auf der Blumenwiese stets die schönsten Blumen zu pflücken. In dem Heilpflanzen-Buch, das ich mir vor einiger Zeit gekauft habe, heißt es zum Sammeln von Heilpflanzen: „Sammeln Sie nur junge, schöne und saubere Pflanzenteile von kräftigen, gesunden Pflanzen.“ Schönheit verbinden wir unbewusst mit Gesundheit – ein besonders schöner Mensch ist jemand, der von innen und außen gleichermaßen strahlt, dem es seelisch wie körperlich sehr gut geht. Wir finden einen solchen Menschen besonders attraktiv und haben die Tendenz, ihn zu begehren.
Wenn wir Pflanzen als Nahrung oder als Heilmittel für unsere Gesundheit verwenden wollen, ist es besonders wichtig, dass auch die Pflanzen gesund und von guter Qualität sind. Beim Sammeln der schönsten Pflanzen achten wir somit wir intuitiv auf unsere Gesundheit. Als Kind habe ich gerne Gänseblümchen gesammelt – natürlich nur die allerschönsten. Damals wusste ich, dass Gänseblümchen essbar sind, und manchmal legte ich mir ihre Blütenblätter auf die Zunge. Sie waren klebrig und schwer hinunterzuschlucken, weil sie so filigran sind. Inzwischen weiß ich, dass diese unscheinbaren Blümchen ebenfalls zu den Heilpflanzen gehören. Besonders lindernd wirken sie bei Haut- und Hustenerkrankungen und bei kleinen Wunden. Wenn ich so darüber nachdenke, wäre ich gerne wieder das kleine Mädchen auf der Gänseblümchenwiese.
Es ist nicht egoistisch, die schönsten Pflanzen zu sammeln. Vielmehr zeigt es, dass wir gut zu uns selbst sind und auf unsere Gesundheit achten. Pflanzen sind ein wesentlicher Teil der unendlichen Vielfalt unserer Schöpfung, der wir uns bedienen dürfen. Anders als bei den meisten Menschen sagen die äußeren Werte von Pflanzen dann doch etwas über ihre inneren Heilkräfte aus.
In meinem Blumenkasten auf dem Balkon hatten sich vor Kurzem ein paar eklig schwarze Blattläuse hartnäckig an die Stängel meiner Pflanzen gesetzt. Schon nach wenigen Tagen konnte ich beobachten, wie sich ein paar Marienkäfer und sogar eine Raupe im Kasten verirrten und an den kleinen ‚Schädlingen‘ sattfraßen. Die Natur regulierte sich von selbst.
Dennoch störten mich die Viecher so sehr, dass ich sie mit einem hausgemachten Schädlingsspray vollsprühte. Kurz darauf starben meine Pflanzen so kläglich wie die darauf sitzenden Blattläuse. Hätte ich der Welt ihren Lauf gelassen, wäre mein ‚Problem‘ wahrscheinlich ganz von allein verschwunden – zugunsten anderer Tiere.
Aus einer Doku zum Thema Heilpflanzen habe ich mitgenommen, dass beispielsweise Wermut-Pflanzen vermehrt Bitterstoffe ausbilden, sobald sich ein Schädling auf ihnen ausbreitet. Die Anzahl der Bitterstoffe steigt dabei nicht nur im befallenen Pflanzenstängel, sondern in der gesamten Pflanze, sodass sie insgesamt widerstandsfähiger wird. Die starken Bitterstoffe einer Pflanze, die sich gegen Schädlinge wehren musste, sind sogar förderlich für ihre Heilwirkung auf den Menschen.
Ich denke an den kleinen Prinzen, zu dem die Rose sagt: „Ich muss wohl zwei oder drei Raupen aushalten, wenn ich die Schmetterlinge kennenlernen will.“
Mehr über Heilpflanzen:
Bühring, Ursel: Alles über Heilpflanzen. Erkennen, anwenden und gesund bleiben. Stuttgart: Ulmer 2007, 2020.
Die Blüten sind
so anders geformt
wie Keksröllchen
und wenn du sie sanft
vom Stiele löst
erfüllen sie dich mit einem Duft
wie aus Aix-en-Provence
als du durch die alten Straßen
noch gewandert bist
Künstlertreff zur FLOWERS-Ausstellung im Dortmunder U
Bei meinem heutigen Künstlertreff sehe ich mir das Dortmunder U an und flaniere durch die Ausstellung FLOWERS! Blumen in der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. Ich lasse mich inspirieren und denke darüber nach, warum wir stets die schönsten Blumen pflücken.
Auf dem Weg nach Dortmund ist der RE voll und draußen fisselt es. Als ich aus dem Hauptbahnhof trete finde ich, dass Dortmund sympathisch wirkt. Sehr städtisch, aber dafür doch sehr weit. Ich überquere die typischen zwei Straßen in Richtung Innenstadt, die es auch in Essen direkt vor dem Hauptbahnhof gibt: Straßen, bei denen die Fußgängerüberwege so breit sind wie Schiffe und die Ampeln dauernd grün werden, weil der Fußgängerfluss größer ist als der Fahrzeugfluss. Vielleicht fühle ich mich ja deshalb gleich so heimisch. Ich habe nicht einmal das Gefühl, mich verlaufen zu können, und das U ist ja auch – um ehrlich zu sein – überhaupt nicht zu übersehen.
Ich komme an einem Café vorbei, an dem es „Homemade Cake W-Lan“ gibt, auch wenn das wahrscheinlich keine Absicht ist. Als ich mich später im U auf der Etage der Dortmunder Kunststudierenden befinde, denke ich: Die könnten sicher ein hausgemachtes Kuchen-W-Lan anfertigen, weil sie dafür kreativ genug sind. In der kleinen Ausstellung erfreue ich mich an einem gefotoshopten Fotoprojekt, in dem eine Menschenmenge aus ein- und demselben Mann besteht, und dann lese ich ein umweltkritisches Plastik-Collagen-Buch.
Innerhalb des U’s genieße ich den Aufstieg auf den vielen Rolltreppen und fahre gelegentlich nochmal eine Etage runter, um das Hochfahren ein zweites Mal zu genießen.
Mein vorerstes Ziel ist die Dachterrasse. Als ich es schließlich hinaufgeschafft habe, bin ich dort ganz allein. Die Dachterrasse ist erstaunlich klein, der Blick über die Stadt ist toll, das U glitzert direkt neben mir, es ist alles sehr feucht. Irgendwann kommt ein Mensch in meinem Alter dazu und wir stehen beide seltsam nebeneinander herum und genießen die Aussicht. Mental verbünde ich mich mit ihm, weil er sich so an meine Ausstrahlung angepasst hat beim Seltsam-Herumstehen und Absichtlich-die-Aussicht-Genießen.
Danach begebe ich mich ohne Umwege zu der Ausstellung, die ich mir für heute ausgesucht habe: Flowers. In einer Art japanischem Meditationsraum kann man dem Wachsen einer Blume live zusehen und dabei seltsamer Musik lauschen. Ich fühle mich in diesem Raum ganz schön komisch und gehe daher schnell wieder hinaus. Doch der Raum ist nur ein kleiner Teil der Ausstellung, in der es noch viel mehr zu sehen gibt – in erster Linie natürlich Blumen. Mit so vielen Pflanzen konfrontiert zu sein, zwingt mich dazu, anders über sie nachzudenken. Folgendes ist mir besonders in Erinnerung geblieben:
Roseninstallation
In der Flowers-Ausstellung gibt es eine Art Installation, die sich wie eine kleine Theaterbühne über den gesamten Raum erstreckt und mit überdimensional großen Rosenblütenblätter gespickt ist. Natürlich steht da: „Betreten verboten!“, das schreckliche Verbot der Kunstausstellungen. Physisch muss ich mich daran halten, aber meine Vorstellungskraft ist frei. Ich fantasiere darüber, wie ich vorsichtig auf die Plattform trete und zu tanzen beginne. Mein Körper wiegt sich in Bewegungen, die er früher einmal verinnerlicht hat, modern dance. Man könnte so vieles mit den Rosenblättern anstellen, man könnte sie umarmen, sie als Regenhut oder Requisite benutzen, um eine Geschichte zu erzählen. Wäre ich Choreographin, würden mich die Blütenblätter zu einer zauberhaften Aufführung inspirieren.
Barocke Blumen
Wenn ein Strauß welkender Blumen auf einem barocken Gemälde festgehalten wird, so ist das ein Zeichen für die Vergänglichkeit des Lebens. Die im Moment des Malens vielleicht noch prächtig blühenden Pflanzen, die jetzt noch Vitalität und Lebenskraft ausstrahlen, werden schon bald vergangen sein – oder womöglich sind sie es schon. So wohnt man dem Zerfallsprozess der Schönheit als stiller Betrachter bei. Gerade die so oft abgebildeten Schnittblumen sind unumgänglich dem Tod geweiht: Hätten wir die Blumen nicht gepflückt, würden sie dann jetzt noch strahlen?
Ich denke darüber nach, warum wir dazu neigen, auf der Blumenwiese stets die schönsten Blumen zu pflücken. In dem Heilpflanzen-Buch, das ich mir vor einiger Zeit gekauft habe, heißt es zum Sammeln von Heilpflanzen: „Sammeln Sie nur junge, schöne und saubere Pflanzenteile von kräftigen, gesunden Pflanzen.“ Schönheit verbinden wir unbewusst mit Gesundheit – ein besonders schöner Mensch ist jemand, der von innen und außen gleichermaßen strahlt, dem es seelisch wie körperlich sehr gut geht. Wir finden einen solchen Menschen besonders attraktiv und haben die Tendenz, ihn zu begehren.
Wenn wir Pflanzen als Nahrung oder als Heilmittel für unsere Gesundheit verwenden wollen, ist es besonders wichtig, dass auch die Pflanzen gesund und von guter Qualität sind. Beim Sammeln der schönsten Pflanzen achten wir somit wir intuitiv auf unsere Gesundheit. Als Kind habe ich gerne Gänseblümchen gesammelt – natürlich nur die allerschönsten. Damals wusste ich, dass Gänseblümchen essbar sind, und manchmal legte ich mir ihre Blütenblätter auf die Zunge. Sie waren klebrig und schwer hinunterzuschlucken, weil sie so filigran sind. Inzwischen weiß ich, dass diese unscheinbaren Blümchen ebenfalls zu den Heilpflanzen gehören. Besonders lindernd wirken sie bei Haut- und Hustenerkrankungen und bei kleinen Wunden. Wenn ich so darüber nachdenke, wäre ich gerne wieder das kleine Mädchen auf der Gänseblümchenwiese.
Es ist nicht egoistisch, die schönsten Pflanzen zu sammeln. Vielmehr zeigt es, dass wir gut zu uns selbst sind und auf unsere Gesundheit achten. Pflanzen sind ein wesentlicher Teil der unendlichen Vielfalt unserer Schöpfung, der wir uns bedienen dürfen. Anders als bei den meisten Menschen sagen die äußeren Werte von Pflanzen dann doch etwas über ihre inneren Heilkräfte aus.
Immunsystem der Pflanzen
In meinem Blumenkasten auf dem Balkon hatten sich vor Kurzem ein paar eklig schwarze Blattläuse hartnäckig an die Stängel meiner Pflanzen gesetzt. Schon nach wenigen Tagen konnte ich beobachten, wie sich ein paar Marienkäfer und sogar eine Raupe im Kasten verirrten und an den kleinen ‚Schädlingen‘ sattfraßen. Die Natur regulierte sich von selbst.
Dennoch störten mich die Viecher so sehr, dass ich sie mit einem hausgemachten Schädlingsspray vollsprühte. Kurz darauf starben meine Pflanzen so kläglich wie die darauf sitzenden Blattläuse. Hätte ich der Welt ihren Lauf gelassen, wäre mein ‚Problem‘ wahrscheinlich ganz von allein verschwunden – zugunsten anderer Tiere.
Aus einer Doku zum Thema Heilpflanzen habe ich mitgenommen, dass beispielsweise Wermut-Pflanzen vermehrt Bitterstoffe ausbilden, sobald sich ein Schädling auf ihnen ausbreitet. Die Anzahl der Bitterstoffe steigt dabei nicht nur im befallenen Pflanzenstängel, sondern in der gesamten Pflanze, sodass sie insgesamt widerstandsfähiger wird. Die starken Bitterstoffe einer Pflanze, die sich gegen Schädlinge wehren musste, sind sogar förderlich für ihre Heilwirkung auf den Menschen.
Ich denke an den kleinen Prinzen, zu dem die Rose sagt: „Ich muss wohl zwei oder drei Raupen aushalten, wenn ich die Schmetterlinge kennenlernen will.“
Mehr über Heilpflanzen:
Bühring, Ursel: Alles über Heilpflanzen. Erkennen, anwenden und gesund bleiben. Stuttgart: Ulmer 2007, 2020.
Die Blüten sind
so anders geformt
wie Keksröllchen
und wenn du sie sanft
vom Stiele löst
erfüllen sie dich mit einem Duft
wie aus Aix-en-Provence
als du durch die alten Straßen
noch gewandert bist