Portraits Malen und Zeichnen: Wie ich beim Malen auf Antonio Banderas treffe und was ich dabei empfinde.
Am Anfang ist da ein Gesicht, eine Vorlage. Vielleicht kenne ich den Menschen persönlich, vielleicht habe ich ihn aber auch noch nie getroffen. Ich lasse mich auf die Person als Motiv ein und weiß zuerst nur: Dich will ich malen oder zeichnen. Ich überlege: Was könnte hier schwierig werden? Wie möchte ich das Gesicht im Bild anordnen? Übernehme ich die Vorlage eins zu eins oder will ich etwas Neues erschaffen?
Dann beginne ich vorzuzeichnen, auf einer Leinwand oder auf Papier. Zunächst ist die Person, die ich malen oder zeichnen möchte, nur ein Motiv, das ich in Formen aufschlüssele. Ich male mir ein Raster, damit ich den Schwung der Linien richtig hinbekomme. Um alles aus- und abzumessen benötige ich auf jeden Fall ein Geodreieck – immerhin möchte ich alle Einzelheiten treffen, um den Menschen im Bild erkennbar zu machen. Zahlen, Formen, Strukturen. Das Auge nur ein Kreis und Oval, die Nase drei Kreise, ein Oval. Alles Linien, die sich genau bestimmen lassen, wie beim technischen Zeichnen. Es kommt mir so vor, als könne ich mithilfe von Mathematik eine Person erschaffen, und wenn man es genau nimmt, dann ist es auch so: Kunst kann man lernen, bis zu einem gewissen Punkt ist sie berechenbar. Auch wenn sie mir niemals so vorkam, nie so mathematisch, so kalkuliert. Kunst ist eine Mischung aus kalkulierter Kombination und schaffensfreudigem Zufall, das macht sie so spannend.
Erst wenn das Bild systematisch vorbereitet ist, beginne ich so richtig mit der Kunst. Am Anfang weiß ich noch nicht, was mich erwartet, ich versuche es eben einfach. Wenn ich mit Graphit zeichne, dann starte ich mit den Augen und versehe sie so lange mit Schattierungen und Details, bis die Person aussieht wie ein Panda. Nutze ich für das Portrait Acrylfarbe, dann mische ich die Grundtöne an und starte mit den groben Flächen des Gesichts: Die Wangen, die Stirn, das Kinn. Bei der Acrylfarbe fühlt es sich besonders befreiend an, weil ich einfach drauflos malen kann und die Farben noch nicht perfekt treffen muss. Die Details spielen an diesem Punkt noch keine Rolle.
Doch schon jetzt nimmt das Gesicht allmählich Form an. Form. Die Person hinter dem Graphit, hinter der Farbe, lässt sich zwar nur erahnen, aber ich spüre, dass sie erscheinen will. Sie möchte sich aus dem Papier erheben und mit mir kommunizieren.
Irgendwann kommt der Kipppunkt. Ich kann nicht genau sagen, wann es passiert … eben einfach irgendwann, wenn ich lange genug gemalt und gezeichnet habe, wenn ich durch die Schattierungen und Farbabstufungen bereits etwas Tiefe in das Bild gebracht habe. Sobald dieser Punkt erreicht ist, sitze ich plötzlich einer veritablen Person gegenüber und muss versuchen, ihr gerecht zu werden. Im Blick der portraitierten Person steckt eine Persönlichkeit, eine Seele, die ich jetzt kennenlernen werde. Es ist die Umkehrung von Tod und Sterben, es ist Lebendigwerden ohne Geburt. In etwa so, wie Lene es über das Gerben von Fell sagt: I start with something that looks messy after the life has gone out. […] When a skin is tanned and ready, I think I can feel a little bit of the life is coming back to the animal. Erst sind da eine zweidimensionale Leinwand und eine Vorlage, doch mit der Zeit kann ich spüren, wie die Person im Bild lebendig wird, wie sie mir einen Teil ihres Charakters zeigt.
Als meine Oma gestorben ist, sah ich vor der Einäscherung ihre Hülle. Von ihrer Schokoladenseite aus hat sie ausgesehen wie Oma, ich konnte sie noch erkennen, und es war, als befände sie sich in einem tiefen Schlaf. Doch wenn ich die Gesamtheit ihres Körpers betrachtete, dann war ganz deutlich, dass ihr tiefstes Innerstes den Körper verlassen hatte, dass er nur noch eine fleischliche Hülle war.
Beim Malen oder Zeichnen ist es umgekehrt, ich habe erst das leblos Materielle, schaffe eine Hülle aus Formen, Farben oder Graustufen. Und dann plötzlich inkarniert die Seele ins Bild. Kunst geht immer ins Lebendige, Kunst zu schaffen bedeutet machen und machen bedeutet existent zu sein, etwas erschaffen ist immer Schöpfung und das Gegenteil von Destruktivität, auch wenn Kunst manchmal bedeutet, zu zerstören, doch in der Zerstörung liegt ja immer auch etwas durchweg Lebendiges, eine starke Stimme, die auf Zerstörtem etwas Neues aufbaut. Vielleicht kann ich Oma irgendwann ein zweites Mal kennenlernen, indem ich sie male. Vielleicht bin ich dafür irgendwann bereit.
Manchmal, nach diesem Kipppunkt ins Lebendige, sagt die gemalte Person mir vorwurfsvoll: „Jetzt krieg mich doch hin, ich will fertig werden, ich will da sein.“ Plötzlich erzähle ich anderen nicht mehr „Ich zeichne ein Portrait“, nein, dann heißt es „Ich zeichne gerade einen Marco“ oder „Ich male jetzt den Antonio weiter“. Irgendwann am Ende des Prozesses, wenn er schon da ist, der Antonio, und es nur noch um Detailarbeit geht, dann bin ich sogar regelrecht genervt von diesem Blick, den er mit zuwirft.
Ich sage ihm: „Ich will dich fertig malen, damit du mich nicht mehr dauernd so anschaust!“
„Ja, wie denn?“, entgegnet er.
„Na, so! Mit diesem abgeklärten und misstrauischen Blick.“
Antonio Banderas ist ein bekannter Schauspieler, der mir bis vor Kurzem kein Begriff war. Doch jetzt ist es, als hätte ich zumindest einen kleinen Teil von ihm persönlich kennengelernt. Eben jenen Teil, den er auf dem Bild durchblicken lässt. Möglicherweise ist mein Antonio ja auch ein bisschen anders als das Original. Aber das ist nicht schlimm.
Am schönsten ist es, wenn das Portrait auch in den Augen anderer zum Leben erwacht ist, wenn es sich ‚echt‘ anfühlt oder sogar Emotionen auslöst. Das ist wohl das Beste, was ich mit meiner Kunst erreichen kann, das ist die größte Ehre. Egal ob mit dem Schreiben oder mit Bleistift und Farbe – ich möchte die Menschen berühren.
Wie auch immer. Antonio ist jetzt fertig. Ich hoffe, er ist zufrieden damit, wie ich ihn hingekriegt habe. Und wenn nicht, dann muss er damit leben. Ich für meinen Teil bin stolz auf mein allererstes Portrait in Farbe, verdammt exorbitant stolz. Und dann habe ich mit meiner Kunst mich selbst berührt und mir selbst gezeigt, was ich alles schaffen kann, und das ist mir fast wichtiger als alles andere. Mach’s gut, Antonio. Es war schön, dich kennenzulernen. Aber jetzt freue ich mich darauf, wieder was anderes malen zu können.
Portraits Malen und Zeichnen: Wie ich auf Antonio Banderas treffe und was ich dabei empfinde.
Am Anfang ist da ein Gesicht, eine Vorlage. Vielleicht kenne ich den Menschen persönlich, vielleicht habe ich ihn aber auch noch nie getroffen. Ich lasse mich auf die Person als Motiv ein und weiß zuerst nur: Dich will ich malen oder zeichnen. Ich überlege: Was könnte hier schwierig werden? Wie möchte ich das Gesicht im Bild anordnen? Übernehme ich die Vorlage eins zu eins oder will ich etwas Neues erschaffen?
Dann beginne ich vorzuzeichnen, auf einer Leinwand oder auf Papier. Zunächst ist die Person, die ich malen oder zeichnen möchte, nur ein Motiv, das ich in Formen aufschlüssele. Ich male mir ein Raster, damit ich den Schwung der Linien richtig hinbekomme. Um alles aus- und abzumessen benötige ich auf jeden Fall ein Geodreieck – immerhin möchte ich alle Einzelheiten treffen, um den Menschen im Bild erkennbar zu machen. Zahlen, Formen, Strukturen. Das Auge nur ein Kreis und Oval, die Nase drei Kreise, ein Oval. Alles Linien, die sich genau bestimmen lassen, wie beim technischen Zeichnen. Es kommt mir so vor, als könne ich mithilfe von Mathematik eine Person erschaffen, und wenn man es genau nimmt, dann ist es auch so: Kunst kann man lernen, bis zu einem gewissen Punkt ist sie berechenbar. Auch wenn sie mir niemals so vorkam, nie so mathematisch, so kalkuliert. Kunst ist eine Mischung aus kalkulierter Kombination und schaffensfreudigem Zufall, das macht sie so spannend.
Erst wenn das Bild systematisch vorbereitet ist, beginne ich so richtig mit der Kunst. Am Anfang weiß ich noch nicht, was mich erwartet, ich versuche es eben einfach. Wenn ich mit Graphit zeichne, dann starte ich mit den Augen und versehe sie so lange mit Schattierungen und Details, bis die Person aussieht wie ein Panda. Nutze ich für das Portrait Acrylfarbe, dann mische ich die Grundtöne an und starte mit den groben Flächen des Gesichts: Die Wangen, die Stirn, das Kinn. Bei der Acrylfarbe fühlt es sich besonders befreiend an, weil ich einfach drauflos malen kann und die Farben noch nicht perfekt treffen muss. Die Details spielen an diesem Punkt noch keine Rolle.
Doch schon jetzt nimmt das Gesicht allmählich Form an. Form. Die Person hinter dem Graphit, hinter der Farbe, lässt sich zwar nur erahnen, aber ich spüre, dass sie erscheinen will. Sie möchte sich aus dem Papier erheben und mit mir kommunizieren.
Irgendwann kommt der Kipppunkt. Ich kann nicht genau sagen, wann es passiert … eben einfach irgendwann, wenn ich lange genug gemalt und gezeichnet habe, wenn ich durch die Schattierungen und Farbabstufungen bereits etwas Tiefe in das Bild gebracht habe. Sobald dieser Punkt erreicht ist, sitze ich plötzlich einer veritablen Person gegenüber und muss versuchen, ihr gerecht zu werden. Im Blick der portraitierten Person steckt eine Persönlichkeit, eine Seele, die ich jetzt kennenlernen werde. Es ist die Umkehrung von Tod und Sterben, es ist Lebendigwerden ohne Geburt. In etwa so, wie Lene es über das Gerben von Fell sagt: I start with something that looks messy after the life has gone out. […] When a skin is tanned and ready, I think I can feel a little bit of the life is coming back to the animal. Erst sind da eine zweidimensionale Leinwand und eine Vorlage, doch mit der Zeit kann ich spüren, wie die Person im Bild lebendig wird, wie sie mir einen Teil ihres Charakters zeigt.
Als meine Oma gestorben ist, sah ich vor der Einäscherung ihre Hülle. Von ihrer Schokoladenseite aus hat sie ausgesehen wie Oma, ich konnte sie noch erkennen, und es war, als befände sie sich in einem tiefen Schlaf. Doch wenn ich die Gesamtheit ihres Körpers betrachtete, dann war ganz deutlich, dass ihr tiefstes Innerstes den Körper verlassen hatte, dass er nur noch eine fleischliche Hülle war.
Beim Malen oder Zeichnen ist es umgekehrt, ich habe erst das leblos Materielle, schaffe eine Hülle aus Formen, Farben oder Graustufen. Und dann plötzlich inkarniert die Seele ins Bild. Kunst geht immer ins Lebendige, Kunst zu schaffen bedeutet machen und machen bedeutet existent zu sein, etwas erschaffen ist immer Schöpfung und das Gegenteil von Destruktivität, auch wenn Kunst manchmal bedeutet, zu zerstören, doch in der Zerstörung liegt ja immer auch etwas durchweg Lebendiges, eine starke Stimme, die auf Zerstörtem etwas Neues aufbaut. Vielleicht kann ich Oma irgendwann ein zweites Mal kennenlernen, indem ich sie male. Vielleicht bin ich dafür irgendwann bereit.
Manchmal, nach diesem Kipppunkt ins Lebendige, sagt die gemalte Person mir vorwurfsvoll: „Jetzt krieg mich doch hin, ich will fertig werden, ich will da sein.“ Plötzlich erzähle ich anderen nicht mehr „Ich zeichne ein Portrait“, nein, dann heißt es „Ich zeichne gerade einen Marco“ oder „Ich male jetzt den Antonio weiter“. Irgendwann am Ende des Prozesses, wenn er schon da ist, der Antonio, und es nur noch um Detailarbeit geht, dann bin ich sogar regelrecht genervt von diesem Blick, den er mit zuwirft.
Ich sage ihm: „Ich will dich fertig malen, damit du mich nicht mehr dauernd so anschaust!“
„Ja, wie denn?“, entgegnet er.
„Na, so! Mit diesem abgeklärten und misstrauischen Blick.“
Antonio Banderas ist ein bekannter Schauspieler, der mir bis vor Kurzem kein Begriff war. Doch jetzt ist es, als hätte ich zumindest einen kleinen Teil von ihm persönlich kennengelernt. Eben jenen Teil, den er auf dem Bild durchblicken lässt. Möglicherweise ist mein Antonio ja auch ein bisschen anders als das Original. Aber das ist nicht schlimm.
Am schönsten ist es, wenn das Portrait auch in den Augen anderer zum Leben erwacht ist, wenn es sich ‚echt‘ anfühlt oder sogar Emotionen auslöst. Das ist wohl das Beste, was ich mit meiner Kunst erreichen kann, das ist die größte Ehre. Egal ob mit dem Schreiben oder mit Bleistift und Farbe – ich möchte die Menschen berühren.
Wie auch immer. Antonio ist jetzt fertig. Ich hoffe, er ist zufrieden damit, wie ich ihn hingekriegt habe. Und wenn nicht, dann muss er damit leben. Ich für meinen Teil bin stolz auf mein allererstes Portrait in Farbe, verdammt exorbitant stolz. Und dann habe ich mit meiner Kunst mich selbst berührt und mir selbst gezeigt, was ich alles schaffen kann, und das ist mir fast wichtiger als alles andere. Mach’s gut, Antonio. Es war schön, dich kennenzulernen. Aber jetzt freue ich mich darauf, wieder was anderes malen zu können.