„Das Leben ist als Künstlertreff gedacht“, schreibt Julia Cameron. Und inzwischen verstehe immer besser, was sie damit meint. Ein Herbstnachmittag im Eiscafé.
Heute will ich mich einfach nur vor der Welt zurückziehen. Ich fühle mich traurig und könnte es gebrauchen, dass mich jemand in den Arm nimmt und mich tröstet. Aber ich kann mich ja auch selbst trösten, denn ich weiß ganz genau, was mir guttut. Manchmal reicht es schon aus, das Haus zu verlassen und ins Eiscafé um die Ecke zu gehen, bewaffnet mit einem Buch und einem Zehn-Euro-Schein. Es reicht schon, das Handy, den Laptop und die anstrengenden Gedanken Zuhause zu lassen, damit ich ausgehen und mir eine schöne Zeit machen kann. Man sollte nicht meinen, dass es anstrengend ist, sich für ein Spaghettieis aus dem gemütlichen Bett und den fiesen Gedankengängen zu holen. Aber es kostet mich dann doch ein bisschen Kraft. Ich mache mich frisch, hüpfe die Treppen im Hausflur hinunter und spaziere zum Eiscafé mit den gelben Stühlen.
Die Kellnerin ist zurückhaltend und hat eine sanfte Stimme, genau das, was ich jetzt brauche. Ich suche mir einen Platz ganz am Rand. Der Tisch steht zwischen zwei Häuserecken auf einem kleinen Podest aus Holz, das mit mehreren Blumenkästen geschmückt ist. Ich bin der einzige Gast, der hier sitzt. Durch das Podest sitze ich ein wenig höher als alle anderen – es ist ein guter Platz, um die Welt zu beobachten, ohne selbst mittendrin zu sein.
Es kommt mir vor als wäre nur eine Minute vergangen, da steht schon das bestellte Eis auf meinem Tisch. Es ist ein riesengroßer Haufen Vanilleeis, getoppt mit einer blutroten Erdbeersauce, und dann, mein Lieblingspart: die Garnitur aus knackigen, weißen Schokostückchen. Ich nehme eine Löffelspitze von der Sauce. Sie schmeckt sehr süß und künstlich nach Erdbeer-Aroma, und ich freue mich darüber, weil ich genau das wollte: ein stinknormales Spaghettieis. Es ist wirklich eine große Portion, ich muss lachen, fühle mich wie ein Kind, das sich zum ersten Mal drei Kugeln Eis mit Sahne bestellen darf.
Weil es hier draußen etwa zwanzig Grad sind, bringt die Sonne das Eis zum Schmelzen. Daneben glitzert das Wasserglas im Licht, und auch meine Arme und das Gesicht sind hell von der Sonne. Mit der Zeit brennt sie immer kräftiger auf meiner Haut – kein Wunder, dass die oberste Schicht der Spaghetti schon flüssig geworden ist.
Ich nehme einen ganzen Löffel. Der erste Happs ist immer einer der besten. Das Vanilleeis schmilzt auf meiner Zunge, die Sauce bringt ein wenig Säure hinein, und dann beiße ich zum Schluss auf die kleinen Schokobrocken.
Ich sitze also da auf meinem gelben Stuhl, wunderbar allein, esse mein Spaghetti-Eis und es kommt mir nichts in die Quere, für eine Weile gibt es nur mich und das Eis und den Genuss. Während ich mich durch die Schnüre aus Vanilleeis löffle und immer nach der perfekten Balance aus Eis und Erdbeersauce suche, blinzle ich in die Sonne und werde vom Wind angestupst. Die Blätter der Platane rauschen. Menschen tummeln sich auf den gelben Stühlen, die ich an diesem Eiscafé schon immer so reizvoll fand. Ein kleiner Junge fragt die Kellnerin, ob er noch einen Keks haben darf und seine Mutter weist ihn an, sich zu bedanken: „Was sagen wir da?“
„Danke.“ Bei Kindern klingt das immer ein bisschen schüchtern und mühevoll.
„Noch habe ich den Keks nicht gebracht“, antwortet die Kellnerin neckisch. Doch wenig später kommt sie mit drei eingepackten Karamellkeksen zurück und schenkt sie dem kleinen Jungen.
Mittlerweile bin ich zu den eingefrorenen Sahnebrocken vorgedrungen, die sich perfekt in die Komposition aus Vanilleeis, Erdbeersauce und Parmesan-Schokolade einfügen. Vanillenudeln. Gefrorene Sahne. Es ist immer noch ziemlich viel, aber ich habe mich total ins Erlebnis geworfen. Inzwischen schaffe ich es außerdem, Multitasking zu betreiben: Eis essen und dabei ein Buch lesen. Die Sonne zieht weiter um die Häuserecke und versucht mich zu blenden. Ich spüre den Wind, das Lachen, die Wörter, das Prickeln des Sprudelwassers.
„Dieses Wasser war etwas ganz anderes als ein Trunk. Es war entsprungen dem Marsch unter den Sternen, dem Gesang der Rolle, der Mühe meiner Arme. Es war gut fürs Herz, wie ein Geschenk. ‚Die Menschen bei dir Zuhause‘, sagte der kleine Prinz, ‚züchten fünftausend Rosen in ein und demselben Garten und sie finden dort nicht, was sie suchen. Und dabei kann man das, was sie suchen, in einer einzigen Rose oder in einem bisschen Wasser finden.‘“
Ich muss nichts tun, außer da zu sein. Niemandem antworten, nichts rechtfertigen, nicht in die Zukunft denken. Ich höre auf, nach den großen Erlebnissen zu suchen. Ich will keine großen Pläne haben, sondern den kleinen Dingen auf die Spur kommen. Es hat lange gedauert, doch heute lebe ich nicht mehr für eine ferne Zukunft, sondern für mich selbst. Genau jetzt.
Tired of feeling below
Let go of holding on, be slow (Become)
Tired of feeling below
Let go of holding on, be slow (Become)
„Das Leben ist als Künstlertreff gedacht“, schreibt Julia Cameron. Und inzwischen verstehe immer besser, was sie damit meint.
Heute will ich mich einfach nur vor der Welt zurückziehen. Ich fühle mich traurig und könnte es gebrauchen, dass mich jemand in den Arm nimmt und mich tröstet. Aber ich kann mich ja auch selbst trösten, denn ich weiß ganz genau, was mir guttut. Manchmal reicht es schon aus, das Haus zu verlassen und ins Eiscafé um die Ecke zu gehen, bewaffnet mit einem Buch und einem Zehn-Euro-Schein. Es reicht schon, das Handy, den Laptop und die anstrengenden Gedanken Zuhause zu lassen, damit ich ausgehen und mir eine schöne Zeit machen kann. Man sollte nicht meinen, dass es anstrengend ist, sich für ein Spaghettieis aus dem gemütlichen Bett und den fiesen Gedankengängen zu holen. Aber es kostet mich dann doch ein bisschen Kraft. Ich mache mich frisch, hüpfe die Treppen im Hausflur hinunter und spaziere zum Eiscafé mit den gelben Stühlen.
Die Kellnerin ist zurückhaltend und hat eine sanfte Stimme, genau das, was ich jetzt brauche. Ich suche mir einen Platz ganz am Rand. Der Tisch steht zwischen zwei Häuserecken auf einem kleinen Podest aus Holz, das mit mehreren Blumenkästen geschmückt ist. Ich bin der einzige Gast, der hier sitzt. Durch das Podest sitze ich ein wenig höher als alle anderen – es ist ein guter Platz, um die Welt zu beobachten, ohne selbst mittendrin zu sein.
Es kommt mir vor als wäre nur eine Minute vergangen, da steht schon das bestellte Eis auf meinem Tisch. Es ist ein riesengroßer Haufen Vanilleeis, getoppt mit einer blutroten Erdbeersauce, und dann, mein Lieblingspart: die Garnitur aus knackigen, weißen Schokostückchen. Ich nehme eine Löffelspitze von der Sauce. Sie schmeckt sehr süß und künstlich nach Erdbeer-Aroma, und ich freue mich darüber, weil ich genau das wollte: ein stinknormales Spaghettieis. Es ist wirklich eine große Portion, ich muss lachen, fühle mich wie ein Kind, das sich zum ersten Mal drei Kugeln Eis mit Sahne bestellen darf.
Weil es hier draußen etwa zwanzig Grad sind, bringt die Sonne das Eis zum Schmelzen. Daneben glitzert das Wasserglas im Licht, und auch meine Arme und das Gesicht sind hell von der Sonne. Mit der Zeit brennt sie immer kräftiger auf meiner Haut – kein Wunder, dass die oberste Schicht der Spaghetti schon flüssig geworden ist.
Ich nehme einen ganzen Löffel. Der erste Happs ist immer einer der besten. Das Vanilleeis schmilzt auf meiner Zunge, die Sauce bringt ein wenig Säure hinein, und dann beiße ich zum Schluss auf die kleinen Schokobrocken.
Ich sitze also da auf meinem gelben Stuhl, wunderbar allein, esse mein Spaghetti-Eis und es kommt mir nichts in die Quere, für eine Weile gibt es nur mich und das Eis und den Genuss. Während ich mich durch die Schnüre aus Vanilleeis löffle und immer nach der perfekten Balance aus Eis und Erdbeersauce suche, blinzle ich in die Sonne und werde vom Wind angestupst. Die Blätter der Platane rauschen. Menschen tummeln sich auf den gelben Stühlen, die ich an diesem Eiscafé schon immer so reizvoll fand. Ein kleiner Junge fragt die Kellnerin, ob er noch einen Keks haben darf und seine Mutter weist ihn an, sich zu bedanken: „Was sagen wir da?“
„Danke.“ Bei Kindern klingt das immer ein bisschen schüchtern und mühevoll.
„Noch habe ich den Keks nicht gebracht“, antwortet die Kellnerin neckisch. Doch wenig später kommt sie mit drei eingepackten Karamellkeksen zurück und schenkt sie dem kleinen Jungen.
Mittlerweile bin ich zu den eingefrorenen Sahnebrocken vorgedrungen, die sich perfekt in die Komposition aus Vanilleeis, Erdbeersauce und Parmesan-Schokolade einfügen. Vanillenudeln. Gefrorene Sahne. Es ist immer noch ziemlich viel, aber ich habe mich total ins Erlebnis geworfen. Inzwischen schaffe ich es außerdem, Multitasking zu betreiben: Eis essen und dabei ein Buch lesen. Die Sonne zieht weiter um die Häuserecke und versucht mich zu blenden. Ich spüre den Wind, das Lachen, die Wörter, das Prickeln des Sprudelwassers.
„Dieses Wasser war etwas ganz anderes als ein Trunk. Es war entsprungen dem Marsch unter den Sternen, dem Gesang der Rolle, der Mühe meiner Arme. Es war gut fürs Herz, wie ein Geschenk. ‚Die Menschen bei dir Zuhause‘, sagte der kleine Prinz, ‚züchten fünftausend Rosen in ein und demselben Garten und sie finden dort nicht, was sie suchen. Und dabei kann man das, was sie suchen, in einer einzigen Rose oder in einem bisschen Wasser finden.‘“
Ich muss nichts tun, außer da zu sein. Niemandem antworten, nichts rechtfertigen, nicht in die Zukunft denken. Ich höre auf, nach den großen Erlebnissen zu suchen. Ich will keine großen Pläne haben, sondern den kleinen Dingen auf die Spur kommen. Es hat lange gedauert, doch heute lebe ich nicht mehr für eine ferne Zukunft, sondern für mich selbst. Genau jetzt.
Tired of feeling below
Let go of holding on, be slow (Become)
Tired of feeling below
Let go of holding on, be slow (Become)