Künstlertreff in Essen

Wie aus dem Bilderbuch: Ostern in der Gartenstadt Margarethenhöhe

  • 4 Min. Lesezeit
  • 3. April 2024
  • Sonja

Passend zu Ostern gibt es einen Künstlertreff auf der grünen Margarethenhöhe in Essen, wo der Frühling längst angekommen ist. Überall sind Blumenknospen, Osterdekorationen und Wohnidyllen zu finden, die mich aufblühen lassen. 

beitragsbild-margarethenhöhe-essen-künstlertreff-gedanken

Eigentlich habe ich mir schon seit Wochen vorgenommen, mal wieder einen längeren Künstlertreff zu machen. Am liebsten zu einem der vielen Ruhrgebiets-Orte, die noch auf meiner Liste stehen, zum Beispiel möchte ich unbedingt auf die Halde Hoheward in Herten/Recklinghausen. Ich finde einfach, man sollte einmal jährlich auf eine Halde fahren und über das Leben nachdenken, so wie ich es letzten Februar auf der Halde Haniel getan habe. Matschpfützen durchqueren, Seifenblasen pusten und die Aussicht genießen. Alternativ schwebt mir das Bochumer Eisenbahnmuseum im Kopf herum, denn auch dort gibt es einen schönen Außenbereich. Doch wenn ich ehrlich bin, warte ich noch immer auf diesen perfekten, sonnigen Morgen, an dem ich energiegeladen aufwache und bereit bin, mit Notizbuch und Kamera bewaffnet den ganzen Tag in der Welt herumzustreunen.

Aber mein Akku ist seit Ewigkeiten ziemlich leer, sodass sich selbst alltägliche Aufgaben anfühlen wie Schwer von Paul Kalkbrenner. Ich brauche eine Woche, bis ich gesund genug bin. Eine Woche, um mich um die Formalitäten zu kümmern. Eine Woche, um zu malen und mich wieder leichter zu fühlen. Es ist so: Im Dezember habe ich meinen Akku komplett leer gehen lassen. Im Januar und Februar habe ich zwar ab und zu das Ladekabel eingesteckt, aber währenddessen stromziehende YouTube-Videos angeschaut, sodass das Aufladen nicht wirklich etwas gebracht hat. Und weil der Akku so leer geworden ist, aber das Am-Leben-Sein ja weiterhin Energie kostet, dauert das Aufladen jetzt ewig lang. Vielleicht bin ich inzwischen zumindest bei fünfzig Prozent angekommen.

Und auch wenn ich weiß, dass ein aufregender Künstlertreff auch ein Energieboost sein kann, so denke ich doch, dass fünfzig Prozent Akkuleistung noch nicht genug sind. Man nimmt ein halb krankes Kind ja auch nicht mit ins Erlebnis-Museum, sondern wartet, bis es gesund ist. Also ist es, wie es so ist im Leben, und man muss Kompromisse finden. Daher entschließe ich mich dazu, in den benachbarten Stadtteil zur Margarethenhöhe zu fahren – einer wunderschönen Gartenstadt, die von 1909 bis 1938 entstanden ist, um attraktive Wohnungsbedingungen für Mitarbeiter des Krupp-Konzerns und andere Bewohner der Stadt Essen zu schaffen.

In der U17 rausche ich also aus meinem Wohnviertel hinaus in etwas ruhigere Gefilde. Ich sehe schon, wie es langsam immer grüner wird, und natürlich fahre ich am Brückenkopf vorbei, dem großen Eingangshaus der von Margarethe Krupp gestifteten Wohnsiedlung. Mit seinem dreifachen Torbogen gewährt der Brückenkopf den Zugang zur Siedlung, in dem er über die Steile Straße bis zum Marktplatz führt. Statt direkt hier auszusteigen, fahre ich jedoch zur Endhaltestelle, um sozusagen „umgekehrt“ durch die Siedlung zu spazieren. So finde ich mich wenig später mitten in der ruhigen Wohnumgebung der Margarethenhöhe wieder und werde von unzähligen idyllischen Häusern umsäumt: grün-weiß gestrichene Haustüren und Fensterläden, kleine Fenster mit weißen Sprossen, knorrige Kletterpflanzen und etwas gräuliche, alternde Häuserfassaden – das ist der Stil der Margarethenhöhe. Doch bei genauerem Hinsehen verbirgt sich hinter dieser Einheitlichkeit stets der individuelle Charme eines jeden Hauses, denn sie alle sind anders geformt, und bestechen entweder durch ihre schönen Dächer und speziellen Fenster oder ihre weißen Bögen und Balkone. Auch die Außenwände sind ganz unterschiedlich verkleidet, mal mit Schieferplatten, dann mit Holzschindeln oder lediglich mit Putz.

Doch es sind nicht nur die Architektur und Zeitgeschichte, die die Margarethenhöhe so besonders machen. Es sind auch die kleinen Hinweise auf die heutigen Bewohner, die den Zauber aufrechterhalten. Sie schmücken ihre Gärten und Häuser und machen daraus ihre eigene Idylle, sodass es jede Menge zu beobachten gibt: sprießende Blütenknospen, Osterdekorationen wie aus dem Bilderbuch, allerhand seltsame Figuren, die mich von da und dort anblicken, Moos auf den Dachziegeln und knorrige Baumstämme an Häuserwänden, die übersät sind mit den Trieben der Kletterpflanzen. Obwohl es erst Frühling und bald Sommer wird, strickt die Natur an einem Winterumhang für Häuserwände. Die Margarethenhöhe ist eine hübsche Siedlung, so friedlich und leise, überall Blumen, alles irgendwie so fürsorglich, und gleichzeitig recht spießig, aber doch eine Art von Spießigkeit, mit der man mitgehen kann, in der man sich heimisch fühlt. Ich mache Fotos über Fotos, denn es gibt so viel zu sehen, Denkmäler, Statuen, Waldzugänge – eine Krupp-Idylle.

Irgendwann muss ich aufs Klo und will alles aufschreiben. Ich setze mich draußen an das kleine Eiscafé nahe der Haltestelle Laubenweg, bestelle einen schwarzen Tee und eine Kugel Limoncello-Eis, und dann schlage ich mein Notizbuch auf und schreibe mit der Hand: Ostern in der Gartenstadt Margarethenhöhe. Ich schreibe noch mehr, ein paar Sätze. Aber dann fängt es an zu tröpfeln, nicht stark, aber doch stark genug, um die Blanko-Seiten meines Notizbuchs mit dunklen Tropfen zu besprenkeln. Ich werde vom Regen unterbrochen, die Welt entscheidet, dass es Zeit ist, nach Hause zu gehen. Aber die Welt entscheidet nicht alles für mich, und deswegen versuche ich immer mehr, meinem eigenen Wahnsinn zu begegnen.

Künstlertreff in Essen

Wie im Bilderbuch: Ostern auf der Margarethenhöhe

Passend zu Ostern gibt es einen Künstlertreff auf der grünen Margarethenhöhe in Essen, wo der Frühling längst angekommen ist. Überall sind Blumenknospen, Osterdekorationen und Wohnidyllen zu finden, die mich aufblühen lassen. 

Eigentlich habe ich mir schon seit Wochen vorgenommen, mal wieder einen längeren Künstlertreff zu machen. Am liebsten zu einem der vielen Ruhrgebiets-Orte, die noch auf meiner Liste stehen, zum Beispiel möchte ich unbedingt auf die Halde Hoheward in Herten/Recklinghausen. Ich finde einfach, man sollte einmal jährlich auf eine Halde fahren und über das Leben nachdenken, so wie ich es letzten Februar auf der Halde Haniel getan habe. Matschpfützen durchqueren, Seifenblasen pusten und die Aussicht genießen. Alternativ schwebt mir das Bochumer Eisenbahnmuseum im Kopf herum, denn auch dort gibt es einen schönen Außenbereich. Doch wenn ich ehrlich bin, warte ich noch immer auf diesen perfekten, sonnigen Morgen, an dem ich energiegeladen aufwache und bereit bin, mit Notizbuch und Kamera bewaffnet den ganzen Tag in der Welt herumzustreunen.

Aber mein Akku ist seit Ewigkeiten ziemlich leer, sodass sich selbst alltägliche Aufgaben anfühlen wie Schwer von Paul Kalkbrenner. Ich brauche eine Woche, bis ich gesund genug bin. Eine Woche, um mich um die Formalitäten zu kümmern. Eine Woche, um zu malen und mich wieder leichter zu fühlen. Es ist so: Im Dezember habe ich meinen Akku komplett leer gehen lassen. Im Januar und Februar habe ich zwar ab und zu das Ladekabel eingesteckt, aber währenddessen stromziehende YouTube-Videos angeschaut, sodass das Aufladen nicht wirklich etwas gebracht hat. Und weil der Akku so leer geworden ist, aber das Am-Leben-Sein ja weiterhin Energie kostet, dauert das Aufladen jetzt ewig lang. Vielleicht bin ich inzwischen zumindest bei fünfzig Prozent angekommen.

Und auch wenn ich weiß, dass ein aufregender Künstlertreff auch ein Energieboost sein kann, so denke ich doch, dass fünfzig Prozent Akkuleistung noch nicht genug sind. Man nimmt ein halb krankes Kind ja auch nicht mit ins Erlebnis-Museum, sondern wartet, bis es gesund ist. Also ist es, wie es so ist im Leben, und man muss Kompromisse finden. Daher entschließe ich mich dazu, in den benachbarten Stadtteil zur Margarethenhöhe zu fahren – einer wunderschönen Gartenstadt, die von 1909 bis 1938 entstanden ist, um attraktive Wohnungsbedingungen für Mitarbeiter des Krupp-Konzerns und andere Bewohner der Stadt Essen zu schaffen.

beitragsbild-margarethenhöhe-essen-künstlertreff-gedanken

In der U17 rausche ich also aus meinem Wohnviertel hinaus in etwas ruhigere Gefilde. Ich sehe schon, wie es langsam immer grüner wird, und natürlich fahre ich am Brückenkopf vorbei, dem großen Eingangshaus der von Margarethe Krupp gestifteten Wohnsiedlung. Mit seinem dreifachen Torbogen gewährt der Brückenkopf den Zugang zur Siedlung, in dem er über die Steile Straße bis zum Marktplatz führt. Statt direkt hier auszusteigen, fahre ich jedoch zur Endhaltestelle, um sozusagen „umgekehrt“ durch die Siedlung zu spazieren. So finde ich mich wenig später mitten in der ruhigen Wohnumgebung der Margarethenhöhe wieder und werde von unzähligen idyllischen Häusern umsäumt: grün-weiß gestrichene Haustüren und Fensterläden, kleine Fenster mit weißen Sprossen, knorrige Kletterpflanzen und etwas gräuliche, alternde Häuserfassaden – das ist der Stil der Margarethenhöhe. Doch bei genauerem Hinsehen verbirgt sich hinter dieser Einheitlichkeit stets der individuelle Charme eines jeden Hauses, denn sie alle sind anders geformt, und bestechen entweder durch ihre schönen Dächer und speziellen Fenster oder ihre weißen Bögen und Balkone. Auch die Außenwände sind ganz unterschiedlich verkleidet, mal mit Schieferplatten, dann mit Holzschindeln oder lediglich mit Putz.

Doch es sind nicht nur die Architektur und Zeitgeschichte, die die Margarethenhöhe so besonders machen. Es sind auch die kleinen Hinweise auf die heutigen Bewohner, die den Zauber aufrechterhalten. Sie schmücken ihre Gärten und Häuser und machen daraus ihre eigene Idylle, sodass es jede Menge zu beobachten gibt: sprießende Blütenknospen, Osterdekorationen wie aus dem Bilderbuch, allerhand seltsame Figuren, die mich von da und dort anblicken, Moos auf den Dachziegeln und knorrige Baumstämme an Häuserwänden, die übersät sind mit den Trieben der Kletterpflanzen. Obwohl es erst Frühling und bald Sommer wird, strickt die Natur an einem Winterumhang für Häuserwände. Die Margarethenhöhe ist eine hübsche Siedlung, so friedlich und leise, überall Blumen, alles irgendwie so fürsorglich, und gleichzeitig recht spießig, aber doch eine Art von Spießigkeit, mit der man mitgehen kann, in der man sich heimisch fühlt. Ich mache Fotos über Fotos, denn es gibt so viel zu sehen, Denkmäler, Statuen, Waldzugänge – eine Krupp-Idylle.

Irgendwann muss ich aufs Klo und will alles aufschreiben. Ich setze mich draußen an das kleine Eiscafé nahe der Haltestelle Laubenweg, bestelle einen schwarzen Tee und eine Kugel Limoncello-Eis, und dann schlage ich mein Notizbuch auf und schreibe mit der Hand: Ostern in der Gartenstadt Margarethenhöhe. Ich schreibe noch mehr, ein paar Sätze. Aber dann fängt es an zu tröpfeln, nicht stark, aber doch stark genug, um die Blanko-Seiten meines Notizbuchs mit dunklen Tropfen zu besprenkeln. Ich werde vom Regen unterbrochen, die Welt entscheidet, dass es Zeit ist, nach Hause zu gehen. Aber die Welt entscheidet nicht alles für mich, und deswegen versuche ich immer mehr, meinem eigenen Wahnsinn zu begegnen.